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bürgerschaft die gegebenen Organe zum Erlaß der Ortsstatuten sein,)
obgleich eine höhere Verwaltungsbehörde, deren Genehmigung z. B.
Krankenversicherungsgesetz § 54 für das Statut fordert, dann fehlt.
Überträgt das Reichsgesetz eine Tätigkeit einer Gemeindebehörde, so
überläßt es in Anbetracht der Verschiedenheit der Organisation in
den deutschen Staaten regelmäßig der Landeszentralbehörde ausdrücklich,
die Behörde, welche als Gemeindebehörde anzusehen ist, zu bestimmen
(so Gewerbeordnung § 155; Krankenversicherungsgesetz § 84; Unfall-
versicherungsgesetz § 106; Invalidenversicherungsgesetz §8 138). Für
die Stadt Bremen wird dann davon auszugehen sein, daß Stadt-
und Staatsverwaltung nicht getrennt sind und daß Staatsbehörden
auch Gemeindeangelegenheiten erledigen, in weiterem Sinne also als
Gemeindebehörden bezeichnet werden können. Doch ist auch da nach
dem Sinn des Reichsgesetzes unter den verschiedenen Behörden zu
unterscheiden. Wo das Reichsgesetz die Gemeindebehörde im Gegensatz
zur Polizeibehörde versteht oder gar bestimmt, daß Polizei= und
Gemeindebehörde gemeinsam eine Bestimmung treffen sollen, kann der
Senat nicht die Polizeidirektion zur „Gemeindebehörde“ bestimmen,
wie das Ausführungsgesetz zur Gewerbeordnung v. 25. März 1892
(S. 49) § 6 in großem Umfange ohne entsprechende Unterscheidung
tut. Wenn z. B. die Gewerbeordnung in § 69 die Festsetzung
einer Marktordnung und in § 76 die Bestimmung von Texen für
Straßentransportgewerbe durch die Ortspolizeibehörde im Einver-
nehmen mit der Gemeindebehörde zuläßt, so sind die betreffenden
von der Polizeidirektion — weil sie zugleich als Gemeindebehörde
bezeichnet ist, — allein getroffenen Bestimmungen ungültig.2)
1) So auch nach der V. betr. die Zuständigkeit der Behörden nach dem
Krankenversicherungsgesetz v. 5. Jan. 1893 § 1 Abs. 2 (S. 4); die gemäß § 2
des Reichsgesetzes getroffene statutarische Bestimmung vom gleichen Tage
(G. Bl. 1893 S. 2) bezeichnet sich als Gesetz! — Auch Ortsstatut für die
Stadt Bremen betr. die Erlaubnis zum Betriebe der Gastwirtschaft 2c. vom
15. Juli 1902 (S. 146) gemäß § 33 der Gewerbeordnung, erlassen von Senat
und Stadtbürgerschaft.
2) Interessant ist hierzu das Urteil des Hanseat. Oberlandesgerichts in
Hanseat. Gerichtszeitung 1901 Bbl. N. 23. Die Gültigkeit der Hamburger
Marktordnung wurde in Frage gestellt, weil sie von der Polizeidirektion im
Einvernehmen mit der vom Senat im Sinn des § 69 Gew. O. als Gemeinde-
behörde bezeichneten Finanzdeputation erlassen sei. Das Landgericht
hielt die Marktordnung für ungültig, weil die Finanzdeputation nicht Gemeinde-