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zuzählen oder abzugrenzen. Gerade dieser Unbestimmtheit verdanken
sie ihr langes Leben. Eigentliches Grundgesetz war das tausendjährige
Herkommen.!) Nur für die Zusammensetzung des Rates waren die
Bestimmungen der Tafel noch in praktischer Geltung. Er bestand
darnach aus vier auf Lebenszeit gewählten Bürgermeistern und vier-
undzwanzig Ratsherren und war in vier QOuartiere eingeteilt, die bis
in's neunzehnte Jahrhundert hinein im Regimente halbjährlich ab-
wechselten. Vermöge seines unbestrittenen Selbstergänzungsrechtes,
das erst durch das Wahlstatut vom 22. März 1816 im Sinne einer
begrenzten Mitbeteiligung der Bürgerschaft geändert wurde,) hatte
er die Stellung einer unabhängigen Obrigkeit.
Unbeschränkte Souveränität im Innern freilich besaß der Rat
nie; wohl versuchte er selbst zu Zeiten die in den Grundgesetzen
bestätigte Vollmächtigkeit im Sinne eines absoluten Regiments aus-
zulegen,5) doch wußte die Bürgerschaft ihr Recht, bei den wichtigsten
Angelegenheiten mitzuwirken, stets zu wahren. Die zum Erscheinen
auf den Konventen berechtigte Bürgerschaft war freilich weder die
Bürgergemeinde noch eine Volksvertretung. Nur die Bürger der
Altstadt waren politisch berechtigt. Unter ihnen galten als konvents-
fähigt) die Mitglieder des Kollegiums der Elterleute, Gelehrte welt-
lichen Standes, die Diakonen und Bauherren der Kirchen und andere
durch den Besitz des großen Bürgerrechts oder ein größeres Vermögen
qualifizierte Bürger. Feste Grundsätze fehlten auch hier; der Senat
führte eine Liste der konventsberechtigten Bürger; wer einmal von
ihm geladen war, konnte regelmäßig erscheinen. Bis zu Anfang des
19. Jahrhunderts trat die Bürgerschaft nach den Kirchspielen getrennt
zusammen.
1) Verf. Verh. 1818 S. 202 über die Bedeutung von Tafel und Eintracht:
„Sie gehören im strengsten Sinne des Worts ihrer Zeit an und haben für
den bei weitem größten Teil der Bürger durchaus keine Bedenutung mehr.“
2) cf. unten §8 11.
8) aof. Die von den Elterleuten angefochtenen Erklärungen des Rats bei
Dünzelmann, die Bremer Kaufmannsgilde und ihre Elterleute, im Brem.
Jahrb. Bd. XVII S. 98, 108: „eo quod cives non aliter senatui parere
teneantur quam subditi suo principi.“
") In dem Verfassungsentwurf von 1814 Art. 107, 108 waren die
Kategorien der konventsberechtigten Bürger aufgezählt. Seitdem hielt man sich
an diese; doch wurde nur eine Auswahl aus ihnen geladen.