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1. Der Antrag auf Verfassungsänderung gelangt in der Bürger—
schaft nur auf die Tagesordnung, wenn er vom Senat ausgeht oder
von wenigstens 30 Mitgliedern der Geschäftsordnung gemäß ein-
gebracht ist. Die Bürgerschaft berät über den Antrag zweimal in
verschiedenen Sitzungen. Abänderungsanträge:) können in diesem
Stadium mit Unterstützung von 30 Mitgliedern jederzeit eingebracht
werden, also auch noch bei der zweiten Beratung. Am Schlusse
beschließt die Bürgerschaft über die weitere Verhandlung des Antrages.
2. Entscheidet die Bürgerschaft sich für weitere Verhandlung
und stimmt der Senat zu, so ist eine Deputation zur Beratung und
Berichterstattung — also ad hoc, nicht Berichterstattung durch be-
stehende Deputation!) — einzusetzen. Auch sie kann Abänderungs-
anträge stellen.)
3. Nach Eingang des Deputationsberichtes erfolgt die definitive
Beratung und Beschlußfassung. Auch können noch Abänderungsanträge 7)
— in der Bürgerschast mit Unterstützung von 30 Mitgliedern —
gestellt werden; zu ihrer Annahme ist Zustimmung der Mehrheit
der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Senats und der Bürgerschaft
erforderlich. Die Verfassungsänderung selbst muß dann in zwei
verschiedenen Sitzungen des Senats und der Bürgerschaft von der
Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder jeder Versammlung
angenommen werden.5)
5* 67. Das Verordnungsrecht des Senats.
Verordnungen sind staatliche Anordnungen, welche ohne Mit-
wirkung der Bürgerschaft vom Senat oder von einer andern Behörde
heben und dadurch bewirken, daß sie nicht in Kraft trat. Konnten Senat
und Bürgerschaft sich wegen einer Verfassungsänderung nicht einigen, so
entschied die Gesamtheit durch einen gewählten Ausschuß von 300 Bürgern.
1) Verh. 1870 S. 191, 221.
2) Die Vorschriften über Abänderungsanträge wurden durch Verfassungs-
änderung v. 8. Nov. 1882 (S. 135) hinzugefügt. Bis dahin mußten sie
jedesmal den umständlichen Weg von neuem durchlaufen. — Die Erleichterung
setzt natürlich wirkliche „Abänderungs“anträge voraus und erstreckt sich nicht
auf alle Anträge, die in irgend einer Verbindung mit der Sache stehen.
3) In Lübeck erfolgt eine Verfassungsänderung im Wege einfacher
Gesetzgebung. In Hamburg bestehen erschwerende Vorschriften nur für die
Beschlußfassung in der Bürgerschaft: Genehmigung in 2 Sitzungen durch
3¾4 sämtlicher Bürgerschaftsmitglieder mit Dreiviertels-Majorität der anwesenden
Mitglieder (Verf. Art. 101).