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Die Polizeiverordnungen enthalten Gebote und Verbote
an die Untertanen im Interesse der guten Ordnung des Gemeinwesens
in der Regel unter Strafandrohung.1!) Auch hinsichtlich der Höhe
und der Art der angedrohten Strafe ist der Senat nicht beschränkt.
Eine Schranke bildet aber auch hier das Gesetz; hat dieses eine
Vorschrift polizeilicher Natur getroffen, so kann der Senat sie nicht
durch Polizeiverordnung aufheben oder abändern. Nicht eine Be-
schränkung des Polizeiverordnungsrechts des Senats, aber eine Kontrolle
und Handhabe gegen seine mißbräuchliche Benutzung gibt die Bestimmung
der Verfassung (§ 65), daß die Bürgerschaft bezüglich der vom
Senat „oder dessen Behörden“ erlassenen Polizeiverordnungen nicht
nur hinsichtlich der Zweckmäßigkeit dem Senat Vorstellungen machen,
sondern auch eine Entscheidung nach Maßgabe der Vorschriften über
Erledigung von Meinungsverschiedenheiten beider Organe herbeiführen
kann, wenn nach ihrer Ansicht die Vorschrift nicht im Verordnungs-
wege erlassen werden durfte.2)
Der Senat kann das Recht zum Erlaß von Polizeiverordnungen
andern Behörden weiter delegieren, z. B. der Polizeidirektion in
Bremen.) »
Mit dem Polizeiverordnungsrecht ist — abgesehen von dem
Notverordnungsrecht — die Befugnis des Senats zum Erlaß von
Rechtsverordnungen erschöpft. Insbesondere steht ihm nicht das all—
gemeine Recht zu, Ausführungsverordnungen mit Rechts—
vorschriften zu erlassen, ein Recht, das in den monarchischen deutschen
Staaten regelmäßig der Krone zugeschrieben wird. Allerdings wird
der Ausdruck Ausführungsverordnungen nicht nur für wirkliche Rechts-
verordnungen, die rechtsschaffend das Gesetz ergänzen sollen, verwandt,
1) O. Mayer, Verwaltungsrecht Bd. 1 § 20 S. 271, 273; G. Meyer, Lehrb.
des Verwaltungsrechts Bd. 1 S. 76.
2) Nach der Verf. v. 1849 § 125 konnte die Bürgerschaft Zurücknahme
der vom Senat erlassenen Polizeiverordnungen verlangen mit der Wirkung,
daß diese eventuell ohne weiteres außer Kraft traten. Schon in den Ver-
fassungsverhandlungen von 1818 S. 184 ff. streitet die Bürgerschaft dem
Senat das Polizeiverordnungsrecht ab und will solches nur als provisorisches
anerkennen.
3) Entsch. des Hanseat. O. L. G. in Hans. G. Ztg. 1895 N. 104 S. 228:
Bei Prüfung der Gültigkeit einer Polizeiverordnung des Polizeiamts in
Lübeck wird stillschweigende Delegation des Verordnungsrechts des
Lübecker Senats auf das Polizeiamt angenommen.