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II. Kapitel: Die Rechtspflege.
69. Die Justizverwaltung.
Nach der Reichsverfassung unterliegt das gerichtliche Verfahren
der Gesetzgebung und Beaufsichtigung des Reiches (R. Verf. Art. 4
N. 13). Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit, d. h. die Gerichts-
barkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, welche vor
die ordentlichen Gerichte gehören, ist durch Reichsgesetze — vor allem
durch die Reichsjustizgesetze von 1879 — geregelt. Besondere Gerichte
sind nur statthaft, soweit das Reich sie zuläßt oder selbst bestellt;
als solche zugelassenen besondern Gerichte bestehen die Gewerbegerichte
in Bremen und Bremerhaven. Auch mit der nichtstreitigen Gerichts-
barkeit hat sich die Reichsgesetzgebung beschäftigt; doch kann auf diesem
Gebiete die Landesgesetzgebung Vorschriften zur Ergänzung und Aus-
führung auch ohne besondere Gestattung treffen. Das Reichsgesetz
über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai
1898 beruht nicht auf dem Kodifikationsprinzip.
Die Justizverwaltung, die Sorge für die Einrichtungen
der Rechtspflege, und die Ausübung der Gerichtsbarkeit selbst ist den
einzelnen Bundesstaaten zur Selbstverwaltung unter Aufsicht des
Reiches überlassen.
Für die hier allein zu betrachtende Justizverwaltung hat das
Reich einige Normen aufgestellt, läßt aber in der Hauptsache den
Bundesstaaten freie Hand und gestattet ausdrücklich, den Gerichten
weitere Geschäfte der Justizverwaltung, aber nicht andere Verwaltungs-
sachen, zu übertragen (Einf. Gesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz § 4).
Die Justizverwaltung ist in Bremen eigentümlich organisiert:
die aus Mitgliedern des Senats und des Richterkollegiums zu gleichen
Teilen bestehende Justizverwaltungskommission erledigt die
wichtigsten Geschäfte der Justizoerwaltung als Selbstverwaltungsorgan
unter Aufsicht des Senats.
Die Eigentümlichkeit erklärt sich historisch. Bis 1849 war
Justizuerwaltung und Rechtssprechung in Händen des Senats: seine
Mitglieder besetzten die Gerichte; er verteilte die Geschäfte unter sie.
Die Verfassung von 1849 nahm die Trennung der Justiz von
der Verwaltung als Grundsatz auf (8 7). Erstere wurde einem aus
12 Mitgliedern bestehenden Richterkollegium übertragen. Dieses