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hältnis des Betroffenen zum Staat zu Grunde liegt, oder daß der
Staat privatwirtschaftlich als Fiskus tätig war; gerade gegenüber
Eingriffen der obrigkeitlichen Gewalt, die der Staat als Herrscher
ausübt, soll jeder in seinen Privatrechten geschützt werden. Das
Gericht hat dann auch öffentliches Recht anzuwenden und darnach
den Eingriff der Obrigkeit auf seine Zulässigkeit zu prüfen.!)
Eine Privatrechtsverletzung liegt vor allem vor, wenn der un-
berechtigte Eingriff der Behörde das Vermögen betroffen hat, so z. B.
bei unbegründeter Erhebung von Steuern oder Zöllen,) bei Auferlegung
einer Geldstrafe durch widerrechtlichen Polizeibefehl usw.5) Doch sind
Privatrechte nicht nur Vermögensrechte. .
Ausnahmen von der Zulässigkeit des Rechtsweges bei Privat-
rechtsverletzungen können durch Reichs= oder Landesgesetze gegeben
sein, indem diese entweder ausdrücklich den Rechtsweg ausschließen
oder ein Verfahren vor Verwaltungsbehörden vorsehen, wodurch der
Rechtsweg nach § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes stillschweigend
ausgeschlossen wird, z. B. in Gewerbesachen, soweit das Rekurs-
verfahren gegeben ist.5)
1) Für die Unterscheidung ist die Entscheidungsnorm nicht maßgebend.
Wach, Handbuch des Zivilprozeßrechts § 8 S. 86 f. Doch ist die Entscheidung
der Verwaltungsbehörde über technische Fragen ihres Geschäftskreises für das
Gericht maßgebend. Seuff. Archiv Bd. 38 S. 217.
2) Entsch, des Reichsgerichts Bd. 42 S. 109 (Bremer Sache); Bd. 52
S. 159; Entsch. des Hanseat. O. L. G. in Hans. Gerichtsztg. 1900 N. 48:
alle betr. Rückforderung zu Unrecht erhobener Zölle. Als Eingriff in Privat-
rechte ferner angesehen: Heranziehung zu Leistungen auf Grund Unterhalts-
pflicht eines öffentlichen Weges: Entsch, des Reichsgerichts R. G. Bd. 25 S. 331.
3) Bei Rückforderung einer vom Gemeindevorsteher auf Grund Straf-
befehls verhängten Geldstrafe Rechtsweg zulässig. Hanseat. O. L. G. in Hans.
G. Ztg. 1887 N. 134. — Rechtsweg bei Polizeibefehlen: Hanseat.
G. Ztg. 1902 N. 115 S. 138 f.; 1902 N. 32 Sämtliche betr. Bremisches
Recht.
4) Auch das Recht zum freien Gewerbebetriebe auf Grund § 1
der Gewerbeordnung wird als Privatrecht, gegen dessen Verletzung der
Rechtsweg offen steht, angesehen, so H. G. Ztg. 1893 N. 98; 1900 N. 155.
5) Entsch, des Reichsgerichts R. G. Bd. 15 S. 143; des Hans. O. L. G.
in Hans. G. Ztg. 1900 N. 155. — Ausschluß des Rechtswegs durch die in
Deichordnung § 19 vorgesehene Sachverständigenentscheidung trotz Fehlens
ausdrücklicher Bestimmung: Hans. O. L. G. in Hans. G. Ztg. 1903 N. 112
S. 197.