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Die Polizei ist eine allgemeine Form der Staatstätigkeit. Sie
gliedert sich teils als sogenannte Verwaltungspolizei den einzelnen
Verwaltungszweigen an, zu deren speziellen Schutz sie bestimmt ist,
— so als Medizinalpolizei, Baupolizei — teils hat sie als Sicher-
heitspolizei den Schutz des Staates und seiner Angehörigen allein
zum nächsten Zweck.1)
Die Polizeigewalt schränkt die Freiheit des Einzelnen ein; sie
trifft die empfindlichste Stelle des Rechtsstaates; die in diesem der
Verwaltung durch das Gesetz gezogenen Grenzen richten sich wesentlich
gegen polizeiliche Eingriffe. Auf der andern Seite ist der Schutz
des Gemeinwesens gegen Störungen im Innern eine wichtigste Auf-
gabe des Staates. Um dieser Aufgabe stets gerecht zu werden, be-
dürfen die Behörden eines gewissen Spielraumes innerhalb der
Grenzen. Aus diesem Grunde geben die Gesetze dem Senat die Er-
mächtigung zum Erlaß von Notverordnungen (oben § 10lf.), von
Polizeiverordnungen, den Polizeibehörden das Recht, im Einzelfall
durch Strafbefehl einzugreifen (oben § 73 II).
Auch der Eingriff der Polizei bedarf der gesetzlichen Grundlage;
nur kann sie ohne besondere Ermächtigung durch Gesetz eine un-
mittelbare Störung der öffentlichen Ordnung mit un-
mittelbarer Gewaltanwendung abwehren. Solche Abwehr
rechtfertigt sich aus der allgemeinen Aufgabe der Polizei und nach
den Grundsätzen der Selbstverteidigung des Gemeinwesens, der Not-
wehr, des Notstandes.:) Beispiele sind die polizeiliche Verwahrung
Betrunkener oder gemeingefährlicher Personen, das polizeiliche Ein-
dringen in eine Wohnung zwecks Hülfeleistung, Tötung eines wild
gewordenen Tieres, Niederreißen eines Hauses, um weitere Aus-
dehnung eines Brandes zu verhüten. Obgleich die Bremischen Gesetze
wenig oder nichts darüber bestimmen (oben S. 31), sind solche
polizeilichen Eingriffe zweifellos berechtigt eben durch ihren Zweck der
Abwehr; sie dürfen aber deshalb auch nach Mitteln und Anwendung
nicht über das zu dem Zweck Notwendige hinausgehen.
1) Die den Polizeiorganen zugewiesene Hülfeleistung bei der Verfolgung
von Verbrechern, gerich tliche Polizei, gehört zur Rechtspflege. Bestimmung der
Polizeibeamten, die als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft fungieren: V. v.
22. Aug. 1879 (S. 261), v. 23. Nov. 1883 (S. 145).
2) O. Mayer, Verw. Recht § 24 Bd. I S. 346 f.