21
liegen die Verhältnisse zum Teil anders; die Deputationen sind dort
nicht einfach gemeinschaftliche Ausschüsse von Senat und Bürgerschaft;
außerdem sieht die Verfassung von Lübeck (Art. 18) im Gegensatz
zu § 56 der Bremer Verfassung (oben), die Verwaltung durch den
Senat als Regel vor: „Dem Senate allein ist die Leitung sämtlicher
Staatsangelegenheiten anvertraut, insoweit nicht die nachfolgenden Be-
stimmungen eine Mitwirkung oder Zustimmung der Bürgerschaft in ihrer
Gesamtheit oder des Bürgerausschusses ausdrücklich vorschreiben.“ Gegen
die allgemeinen Gründe von Melle's ist zu bemerken: Es handelt sich
hier nicht um die Frage, ob die faktische Machtstellung von Senat und
Bürgerschaft genau gleich ist, ob der Senat tatsächlich das Übergewicht
hat; dies fällt über die rechtliche Untersuchung hinaus; es ist politische
Betrachtung..) Den Ausschlag für die andere Meinung kann auch
nicht die Hervorhebung geben, daß der Senat „die Regierung“ sei,
auch in der Bremischen Verfassung § 57 Abs. 1 so bezeichnet werde
(v. Melle, a. a. O. S. 41 Anm. 2; Seelig, S. 66). Der Aus-
druck Regierung besagt in dem Zusammenhang nur, daß der Senat
die leitende, vollziehende, ausführende Gewalt handhabt;m) daß der
Senat mit dieser Bezeichnung der Landesregierung eines monarchischen
Staates gleichgestellt sei, wäre erst zu beweisen.
Freilich ist durch die Zugehörigkeit zum deutschen Reich die
faktische Machtstellung des Senats bedeutend erhöht. Im deutschen
Reich ist der Senat in die Gesellschaft der Monarchen gekommen.
Die Mitregentschaftsrechte am Reich übt er allein aus ohne Mit-
wirkung der Bürgerschaft, tatsächlich und rechtlich ist er dabei den
Fürsten der konstitutionellen Monarchien gleichgestellt. Ferner sind
auf den Gebieten der Reichsgesetzgebung, auf denen das Reich den
Einzelstaaten die Verwaltung übertragen hat, dem Senat eine Reihe
wichtigster Verwaltungsaufgaben zugefallen, deren Erledigung nach
der ratio des inneren Landesstaatsrechts gemeinschaftliche Sache von
Senat und Bürgerschaft sein würde. Aber dieser Machtzuwachs des
Senats in Reichsangelegenheiten hat für das bremische Landesstaats-
recht den Rechtsgrundsatz nicht ändern können, daß die höchste Staats-
gewalt bei Senat und Bürgerschaft gemeinschaftlich liegt.
1) Rehm, Allgemeine Staatslehre § 45.
2) Der Senat ist „Landesregierung“ auch im Sinne der Reichsgesetze
als Inhaber der Exekutive, so Entsch. das Hans. Oberlandesgerichts in
Hans. G. Ztg. 1889 Nr. 122; 1893 Nr. 98.