Metadata: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

408 Erster Theil. Achter Titel. 
§. 135. Eine gemeinschaftliche 1) Mauer kann jeder Nachbar an seiner Seite 
bis zur Hälfte der Dicke zu seinem Nutzen brauchen, in sofern dadurch dem Gebäude 
selbst kein Nachtheil geschieht ? 15). 
s. 136. Doch müssen Wandschränke und andere dergleichen Anlagen in einer 
solchen Mauer dergestalt eingerichtet werden, daß sie nicht auf diejenigen treffen, welche 
der Nachbar auf der entgegenstehenden Seite bereits angelegt hat. 
em richt §. 137. Um Licht 9 ) in seine Gebäude zu bringen, kann ein Jeder Oeffnungen 
und von der 
Aussicht 22) 
legung von Schornsteinen gegebenen Vorschriften, deren fast jeder Regierungsbezirk seine besonderen 
hat. Sie verbieten alle die Anwendung von Holz und von Luftsteinen zu ornsteinbauten, und be- 
stimmen zum Theil auch die Weite der Röhren, wie z. B. für Berlin die K.O. v. 4. Oktbr. 1821 
(G. S. 1822, S. 42), Instr. vom 14. Jan. 1822 (ebend. S. 43) und dic M. V. v. 17. Mai 1830 
(G. S. S. 84); R. v. 15. Juni 1826, betr. die Konstruktion der russischen Schornsteinröhren (v. K. 
Anm. Bd. X, S. 417). 
91) Auch über eine dem Nachbar allein gehörige Mauer, auf welche der Andere eine servitus 
oneris ferendi hat, darf der Eigemhümer nicht einseitig, zum Nachtheile des darauf rudenden frem- 
den Gebäudes, verfügen. Pr. 12986% vom 29. April 1843 (Entsch. IX, 200). 
91à) (. A.) Der Nachbar ist berechtigt, die gemeinschaftliche Mauer an seiner Seite auf der 
Hälfte ihrer Dicke auch zu erhöhen, in soweit dadurch dem Gebäude des Nachbars kein Schaden zu- 
gefügt wird. Pr. des Obertr. 2694 vom 17. Septbr. 1857 (Arch. für Rechtf. Bd. XXVI. S. 191 
und Entsch. Bd. XXXVIII, S. 49). (5. A.) Auch ist eine geringsügige, die Haltbarkeit der Mauer 
nicht gefährdende Schmälerung ihrer Dicke nicht ausgeschlossen. Erk. des Obertr. vom 9. u. 11. Fe- 
bruar 1864 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LIII. S. 136). Allein die vorausgesetzte Bedingung, daß da- 
durch dem Gebände selbst kein Nachtheil entflehe, erfüllt der bauende Nachbar in dem Falle nicht, 
wenn er die Dauerhaftigleit der, einen integrirenden Theil beider Nachbar = Gebäude bildenden, ge- 
meinschaftlichen Mauer verringert. Eine derartige ihm nachtheilige Verfügung über das gememsahch= 
liche Eigenthum braucht der andere Nachbar in der Erwartung, daß der Nachtheil durch die weitere 
Ausführung des Bauplanes seines Nachbars wieder werde behoben werden, um so weniger zu dulden, 
als der §. 135 eine Auenahme von der Regel (Tit. 17, §. 10) vorschreibt und daher anedehnender 
Auelegung nicht unterliegt. Erk. dess. vom 3. Mai 1864 (Arch. f. Rechtef. Bd. LIV, S. 170). — 
Hat der Nachbar die gemeinschaftliche Mauer von seiuer Seite bis über die Hälfte der Dicke hinaus 
erhöht, so, ist die Erhöhung, soweit sie auf der anderen Hälfte ruht, nach dem Rechtsgrundsatz: „solo 
cedit, duod solo innsdificatur“, durch Accession, und zwar speziell durch Jnädifikation, Eigenthum 
des anderen Nachbars geworden. Erk. d. Obertr. v. 10. Januar 1865 (Archiv f. Rechtsf. Bd. I. V II. 
S. 62). Die 88. 133 bis 136 sind von solchen gemeinschaftlichen Mauern zu verstehen, welche zwi- 
schen bereits vorhandenen Gebäuden sich befinden. Unten, Anm. 98/ zu F. 139 d. T. 
92) Unter diesem Rubrum ist in zwei Beziehungen von Licht und Aussicht Rede. Die eine be- 
trifft die Berechtigung des Eigeuthümers, sich durch Oeffnungen in der Wand seines Gebäudes Licht, 
Aussicht und Luft zu verschaffen. Davon haudeln die beiden §§. 137 u. 138. Die andere ist die 
entgegengesetzte: sie betrifft die Befsugniß des Nachbors, durch Vorbaue dem Anderen die schon vor- 
handenen Oeffnungen oder die in zu errichtenden Gebäuden noch anzulegenden Oeffnungen zu ver- 
kümmern. Davon handeln die folgenden S§. 139 — 147. Die jeder dieser verschiedenen Beziehungen 
angehörigen Vorschriften sind nicht mit einander zu vermengen. ,„ 
Die Vorschriften enthalten Übrigens kein geschichtliches Recht, sie sind müllig ausgedacht, wie 
die Revision der Monita und die Bemerkungen von Snarez ergeben. Ges.-Rev. Mot. zu 98. 107 flf. 
des Entw. d. T., S. 69, auch mitgetheilt in der Jur. Wochenschr. 1839, S. 110. 
93) Der Zweck der Oeffnungen und Fenster soll also Lichtbringung sein. Unter Feslhaltung die- 
ses Zweckes kann die Vorschrift auf zweierlei Weise, im gerade entgegengesetzten Sinne, ausgelegt 
werden, und sie ist wirklich so ausgelegt worden. Man kann sie so auffassen, daß nur den Lich töffnungen 
bestimmte Schranken gesetzt (. 138), andere Oeffnungen aber unbedingt und unbeschränkt freigestellt 
seien. Dies widerspricht jedoch dem §. 148 geradezu. Eine andere Auffassung hingegen kommt zu 
dem Ergebnisse, daß nur Lichtöffnungen und zwar auch nur unter den vorgeschriebenen Beschrän- 
kungen, andere Oeffnungen aber gar nicht angelegt werden dürften. Diese Auslegung hat den Sinn 
der Worte und das argumentum s contrario für sich, sie entspricht aber nicht dem inneren Zusam- 
mernhange der Rechtsgrundsätze vom Eigenthume und dessen freiem Gebrauche, und befriedigt deshalb 
nicht. Von dem angegebenen Zwecke ist abzuschen; der freic Gebrauch des Eigenthums hat dadurch 
nicht auf das Lichtbringen beschränkt werden follen; auch Luft kann eingebracht werden, und weder 
das Eine, noch das Andere kann der Nachbar deshalb verbieten, weil durch die Oeffnungen menschliche 
Blicke auf sein Grundstück fallen können. Er kann seinerseits denselben, nach §. 139 ff., durch Bretter- 
wände Schrauken setzen. Vergl. die Motive zum Pr. 2200 (Anm. 94). 
(5. A.) Umnter „Licht" kann nur ein solches Licht verstanden werden, welches dem Eigenthümer,
	        
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