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gereichten, von 30 Vertretern unterzeichneten Antrag veranlaßt werden.
Die Entziehung hat Aufhören der Mitgliedschaft und Verlust der
Wählbarkeit für die folgenden 3 Jahre zur Folge (Ges. § 2h).
„Die Vertreter nehmen ihre Obliegenheiten unentgeltlich wahr“; sie
erhalten aus der Staatskasse keine Vergütung.!)) Eine Vereinbarung
über eine einem Bürgerschaftsmitglied von privater Seite zu zahlende
Entschädigung würde gültig sein; ein Verbot wie in der Reichs-
verfassung (Art. 32) ist nicht ausgesprochen.
II. Die Mitglieder der Bürgerschaft genießen wie die Mitglieder
anderer gesetzgebender Versammlungen kraft Reichsrechtes einen be-
sonderen Schutz, der die ungestörte Ausübung ihrer Pflichten
sichern soll.
1. Strafgesetzbuch § 11 bestimmt: „Kein Mitglied eines Land-
tages oder einer Kammer eines zum deutschen Reiche gehörigen
Staates darf außerhalb der Versammlung, zu welcher das Mitglied
gehört, wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines
Berufes getanen Außerungen zur Verantwortung gezogen werden.“
Richtiger Ansicht nach findet diese Bestimmung auch auf die Mit-
glieder der Bürgerschaften der freien Städte Anwendung; auch die
Bürgerschaften sind Kammern zum deutschen Reich gehöriger Staaten.)
Nach Strafgesetzbuch § 12 sind ferner wahrheitsgetreue Berichte über
Verhandlungen der Bürgerschaft von jeder Verantwortlichkeit frei.
2. Eine Verhaftung in Zivilsachen ist nur zulässig, sofern sie
von der Bürgerschaft genehmigt ist; auf ihr Verlangen ist eine
begonnene Haft „während der Dauer der Sitzungsperiode“ zu unter-
brechen 3) (Zivilprozeßordnung § 904).
Daagegen stehen den Bürgerschaftsmitgliedern nicht wie z. B. den
Mitgliedern des Reichstags und preußischen Landtags Privilegien im
Strafverfahren hinsichtlich der Untersuchungshaft und der Einleitung
1) Außerhalb der Stadt Bremen wohnende Mitglieder erhalten die
Rückfahrkarten II. Klasse ersetzt. Verh. 1891 S. 308, 500.
*) So auch Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch zu § 11 N. 2
Abs. 2; v. Melle, Hamburg. Staatsrecht S. 132; anderer Ansicht Binding,
Normen Bd. 1I S. 674; v. Schwarze, Kommentar zu § 11 N. La.
8) Sitzungsperioden kennt die Bürgerschaft nicht; sie ist permanent, unten
S. 68. Die Bestimmung ist ziemlich gegenstandslos, da im Fall des § 807
Z. P. O. die Mitgliedschaft der Bürgerschaft durch Auferlegung des Offen-
barungseides überhaupt erlischt. Es könnte also nur ein Offenbarungseid-
verfahren nach Z. P. O. § 883 in Frage kommen.