Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

2 Geschichtliche Einleitung. 81 
Nachdem der Hansabund infolge der kriegerischen Verwicklungen in Deutschland, des wirt- 
schaftlichen Erstarkens anderer Länder und der Veränderung der Wege des Welthandels in Ver- 
fall geraten war, vereinigten sich 1630 die 3 Städte Lübeck, Hamburg und Bremen zu einem enge- 
ren Schutzbündnis, in dem sie den Namen der Hansa bewahrten. Die schwerste Krisis auch für 
ihre Selbständigkeit waren die Umwälzungen, die sich an die französische Revolution anschlossen 
und den Zusammenbruch des alten Reiches herbeiführten. Von den 1801 noch vorhandenen 
51 Reichsstädten waren nach dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803 nur 6 der Mediati- 
sierung entgangen und von ihnen ging außer den 3 Hansestädten nur Frankfurt als selbständiges. 
Gebiet aus den Umwälzungen der napoleonischen Zeit hervor. Wenn die Hansestädte diesem 
Schicksal der Mehrzahl der Reichsstädte entgingen, so hatten sie es der besonderen Stellung, die 
sie als Seehandelsplätze einnahmen, und daneben der geschickten Vertretung ihrer gemeinsamen 
hanseatischen Interessen zu verdanken. Im Zusammenhang mit den aufkommenden Wirtschafts- 
lehren von Adam Smith wird der Gedanke, daß die Unabhängigkeit der Hansestädte im Inter- 
esse nicht nur Deutschlands, sondern aller am Welthandel interessierten Nationen liege, damit sie 
als berufene Vermittler des Welthandels unter Leitung der regierenden Kaufleute ungehindert 
dem Handel eine neutrale Stätte gewähren könnten, in zahlreichen Schriften jener Zeit verfoch- 
ten 1). Diesen Gedanken wußten auch die Staatsmänner der Hansestädte den auswärtigen Mächten 
Frankreich und später England gegenüber wirksam im Interesse einer kosmopolitischen Stellung 
ihrer Städte zu verwerten. So gelang es ihnen zunächst auf dem Rastatter Kongreß und dann im 
Reichsdeputationshauptschluß ihre Unabhängigkeit durchzusetzen. In letzterem erhielten Bremen und 
Lübeck die ehemals geistlichen Besitzungen im Stadtgebiet zugewiesen; Bremen erlangte auch eine 
Vergrößerung durch verschiedene Dörfer und den Ort Vegesack, bei dem weserabwärts Bremer 
Kaufleute früher einen Hafen angelegt hatten; die Grenzen der Gebiete wurden damals im wesent- 
lichen in dem noch heute bestehenden Umfange festgelegt. Mit dem Untergange des alten Rei- 
ches — 1806 — gelangten die Hansestädte zu völliger staatlicher Selbständigkeit. Sie war frei- 
lich zunächst nur von kurzer Dauer. Gegenüber den Plänen Napoleons, dem der Besitz der Hanse- 
städte für sein großes Ziel, der Vernichtung des englischen Handels, von Bedeutung war, versag- 
ten alle politischen Theorien und Bemühungen der Gesandten. Nachdem noch i. J. 1809 eine- 
Konferenz des französischen Konsuls Reinhard mit den Vertretern der Hansestädte stattgefunden 
hatte, die für die Verfassungsgeschichte dadurch bedeutsam ist, daß Ch. de Villers für sie auf Grund 
amtlichen Materials zuerst eine gemeinsame Darstellung der Verfassungen der Hansestädte unter 
modernen Gesichtspunkten unternahm 2), wurden sie durch kaiserliches Dekret vom 10. Dezember 
1810 dem französischen Kaiserreiche einverleibt. An Stelle ihrer vielhundertjährigen Ratsverfas- 
sung trat jetzt eine französische Verwaltung. Nach der Befreiung, die für Hamburg erst nach. 
schweren Leiden im Mai 1814 endgültig erfolgte, nahmen die Hansestädte durch ihre Vertreter, 
unter denen der Bremer Senator Joh. Smidt hervorragte 2), auf dem Wiener Kongreß an der 
1) Grundlegend war: J. G. Büsch, Die politische Wichtigkeit der Freiheit Hamburgs und 
ihrer Schwesterstädte Lübeck und Bremen für das ganze handelnde Europa in ein neues Licht 
gestellt. Hamburg 1797. Ferner: Die Hansestädte Hamburg, Lübeck und Bremen oder welche 
Vorteile erwachsen dem Gesamthandel durch deren Unabhängigkeit? 1807. J. L. v. Heß, Ueber den. 
Wert und die Wichtigkeit der Freiheit der Hansestädte. 1814. (Lord Castlereagh gewidmet.) Auch 
im Anhang der für den Wiener Kongreß bearbeiteten Schrift von Villers (s. unten Anm.) ein 
den gleichen Gedankengang verfolgendes memoire sur le Commerce des villes Anséatiques. 1814. 
Eine scharfe Erwiderung fanden diese kosmopolitischen Bestrebungen später in dem 1821 er- 
schienenen „Manuscript aus Süddeutschland“, das die Hansestädte als „deutsche Barbaresken“ 
und „englische Faktoreien“ geradezu als ein „hors d’oeuvre im Vaterlande“ bezeichnete. Das. 
Manusfkript rief andere zahlreiche Entgegnungen in den Hansestädten hervor, so: J. L. v. Heß, 
Aus Norddeutschland, kein Manuscript. 1821. Haller (Hamburg), 6 Briefe über den Handel 
der Hansestädte. 1821. Stork (Bremen), Ueber das Verhältnis der freien Hansestädte zum Han- 
del Deutschlands. 1821. Z 
2) Villers gab die Verfassungsskizzen später auf Wunsch seiner hanseatischen Freunde 
für den Wiener Kongreß heraus unter dem Titel: Constitutions des trois villes libres-hanséatiques. 
Lubeck, Bremen et Hambourg. 1814. Der Beschreibung der Verfassungen sind angefügt: „Ob- 
Sservations générales sur les constitutions des trois villes“ und das obenerwähnten „memoire 
sur le commerce“. Ueber Villers, der als Emigrant in den Hansestädten lebte: v. Bippen 
in Preuß. Jahrb. 1871, S. 268 ff., Brem. Jahrb. 1877, S. 60 f. und Allgem. Deutsche Biogra- 
phie; über die Entstehung der „Constitutions" speziell auch Wohlwill, „K. v. Villers und die 
Hansestädte“ in Hans. Gesch.-Blättern 1909, S. 491f. # # 
3) Ueber sein Wirken auf dem Kongreß und im Bundestag: O. Gildemeister in Joh. 
Smidt, Ein Gedenkbuch. 1873, S. 20 ff. und Bulle, das., S. 88 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.