35 Folgen der Pflichtverletzung; Haftung des Staates für seine Beamten. 93
eintreten lassen (Brem. BG. § 77; Lüb. BG. § 39 Z. 12). Die Strafversetzung kann
in Lübeck nur auf Grund förmlichen Disziplinarverfahrens verhängt werden, —
in Bremen auch vom Senat nach Anhörung der vorgesetzten Behörde und, wenn
nicht wenigstens eine Voruntersuchung im förmlichen Disziplinarverfahren vorher-
ging, nach Bericht eines Ausschusses aus seiner Mitte, der den Beamten vorher zu
hören hat (Brem. BG. F 87); doch kann, falls eine Voruntersuchung vorausging,
der Beamte selbst Verweisung an die Disziplinarkammer beanspruchen (Brem. BG. # 98).
3. Dienstentlassung,, die den Verlust des Titels und des Anspruches
auf Ruhegehalt zur Folge hat; doch kann die Disziplinarbehörde bei besonderen Mil-
derungsgründen, falls der Beamte Anspruch auf Ruhegehalt hatte, einen Teil des-
selben auf Lebenszeit oder bestimmte Jahre zubilligen (Brem. BG. § 78; Lüb. BG.
§ 40). Die Dienstentlassung kann nur auf Grund eines förmlichen Diszip-
linarverfahrens erfolgen, das also bei schwereren Delikten regelmäßig ein-
zuleiten ist :). Die Einleitung verfügt der Senat. Das Verfahren besteht in schrift-
licher Voruntersuchung und mündlicher Verhandlung; dazwischen liegt der Beschluß
des Senats über die Eröffnung des Hauptverfahrens. In Bremen sind zwei
Instanzen vorgesehen: die mit einem Senator und 2 Richtern besetzte Diszi-
plinarkammer und als Berufungsgericht der mit 2 Senatoren und 3 Rich-
tern besetzte Disziplinarhof. (1Ueber die Wahl der richterlichen Mitglieder
durch das Richterkollegium oben §& 29 II Z. 1). In Lübeck entscheidet in erster
und letzter Instanz der mit 2 Senatoren und 3 vom Senat auf Vorschlag
des Präsidiums des Landgerichts ernannten Richtern besetzte Disziplinar-
hof. Die Verhandlung ist in Bremen in der Regel öffentlich, in Lübeck ist sie nicht
öffentlich (Brem. BG. §5 103; Lüb. BG. § 66). Auf das Verfahren finden im allge-
meinen die Vorschriften der Strafprozeßordnung Anwendung 2). Die Entscheidung
kann auf Freisprechung oder Verurteilung, in letzterem Falle auch auf eine Ord-
nungsstrafe lauten (Brem. BG. § 110; Lüb. BG. 8 70). Das Verhältnis des Diszi-
plinarverfahrens zum öffentlichen Strafverfahren ist entsprechend dem Reichs-
beamtengesetz geregelt (Näheres Brem. BG. § 80 ff., Lüb. BG. F 42 ff). Ordnungs-
mäßig ergangene Disziplinarentscheidungen sind im Zivilprozeß der Nachprüfung
der Gerichte entzogen (unten §& 36 V)90.
II. Die strafrechtlichen Folgen der Pflichtverletzung, insbesondere die
Tatbestände der Amtsdelikte sind im Reichsstrafgesetzbuch normiert; das Nähere ge-
hört in das Strafrecht.
1) Die Strafversetzung — in den kleinen Staaten nicht immer durchführbar — wurde erst
später aufgenommen: in Bremen bei der Revision von 1894, in Lübeck durch die Novelle von 1898.
In Lübeck ist sie mit der Dienstentlassung zusammengefaßt als „Entfernung aus dem Amte“ (Lüb.
BG. 539), da sie ebenso wie nach dem Reichsbeamtengesetz hier nur auf Grund förmlichen Diszi-
plinarverfahrens erfolgen kann.
2) Wegen des Verfahrens im einzelnen: Brem. BG. 5 88 f.; Lüb. BG. 5 50 f. Ob die Ein-
leitung des Verfahrens erfolgen soll, hängt vom Ermessen des Senats ab und ist „Sache der Er-
wägung des dienstlichen Interesses“" (IO. Mayer, Verw.-R. II, S. 244); es besteht keine Pflicht
zur Verfolgung wie beim Strafverfahren.
3) Brem. BG. 7 122; Lüb. BG. § 75. Auch die Wiederaufnahme des Verfahrens findet
entsprechende Anwendung (Brem. BG. F. 121). Gegen Beschlüsse des Lüb. Disziplinarhofes im
Wiederaufnahmeverfahren ist ein Rechtsmittel nicht gegeben: Hans. Entsch. in Straff., Bd. II, S. 99.
4) Disziplinarentscheidungen sind keine Verwaltungsmaßregeln im Sinn des § 15 der Brem.
Verf., gegen die der Rechtsweg zulässig ist: HGZ. 1910, n. 170.