94 Die Organisation des Staates. g 35
III. Zivilrechtliche Folgen einer Pflichtverletzung des Beamten treten
ein, wenn diese eine Vermögensbeschädigung, sei es des Fiskus, sei es einen Dritten
zur Folge hat und der Beamte dadurch schadensersatzpflichtig wird.
Die Verpflichtung zum Schadensersatz gegenüber dem Fis—
kus unterliegt an sich dem öffentlichen Recht; ihre Regelung ist daher dem Landes-
recht vorbehalten (EG. z. BGB. Art. 80). In Ermangelung besonderer landesrecht-
licher Bestimmungen sind auch hier die Vorschriften des BGB. anzuwenden (vgl.
aber auch unten IV) 0. ·
Die Haftung des Beamten gegenüber Dritten unterliegt
dem bürgerlichen Recht, als außerkontraktliche Haftung speziell den allgemeinen
Bestimmungen der §§ 823 ff. BGB. und der besonderen des § 839 BG. über die
Verletzung der dem Beamten einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht;
doch greifen hier die Vorschriften über die Haftung des Staates und der Gemeinden
für ihre Beamten ein, soweit sie im Umfang der Haftung von Staat und Gemeinde
die Haftung des Beamten gegenüber Dritten ausschließen (unten IV).
Die Ersatzansprüche gegen den Beamten — auch die des Fiskus — sind im Wege
der Zivilklage zu verfolgen 2); die Landgerichte sind ausschließlich zuständig (oben
§ 30 II). Die Verfolgung der Ansprüche ist an die Vorentscheidung einer besonderen
Behörde landesrechtlich nicht gebunden 8).
IV. Bei der Haftung des Staates und der Gemeinden für
den von ihren Beamten") angerichteten Schaden ist zu unter-
scheiden, ob die schädigende Handlung oder Unterlassung von dem Beamten bei Aus-
übung der öffentlichen Gewalt oder in Ausführung privatrechtlicher Verrichtungen
begangen ist. Um Ausübung öffentlicher Gewalt — obrigkeitliche Handlungen —
handelt es sich z. B. bei Handhabung der Polizeigewalt der Steuererhebung, um
Wahrnehmung privatrechtlicher Interessen bei Verwaltung des Staatsvermögens,
bei der Tätigkeit in staatlichen Gewerbebetrieben, bei Abschluß von Verträgen für
den Staat, bei Verpflichtungen, die sich aus dem Grundbesitz des Staates ergeben
u. a. 5ö). Kraft besonderer Bestimmung sind in Bremen die Gemeinden ohne Rücksicht
1) Laband, StR. I, S. 476, 478. Auch die allgemeinen Ausführungen über die ver-
mögensrechtliche Haftung der Beamten gegenüber dem Staat und der Gemeinde bei R. Piloty,
Bayerisches StR. (1913) Bd. I, S. 723 f. RG. Bd. 74, S. 342: Haftung des Beamten für ab-
handen gekommene Sachen des Fiskus. Landesrechtliche besondere Vorschriften über Ersatz von
Kassendefekten fehlen.
2) Brem. BG. F 82; Lüb. BG. F 44. Ueber die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen, auch
wenn sie speziell von „Dienstvergehen" sprechen, auf alle Verletzungen der Sorgfalt: Laband,
StR. I, S. 478 f. Ueber den Beamtengriff des 3J 839: RG. Bd. 79, S. 85; oben # 32 a. E.
Für die Ansprüche gegen den Beamten ist es an sich gleichgültig, ob er in Ausübung öffentlicher Ge-
walt gehandelt hat: HGZ. 1909, n. 130.
3) Von der Befugnis des § 11 Eo. zum GVG. haben beide Staaten keinen Gebrauch ge-
macht. Die Bestimmung des Lüb. AG. v. 3. Febr. 1879, 5 12, nach der, wenn eine Rechtsverletzung
eines Beamten behauptet wird, „zunächst“ binnen 3 Wochen bei der vorgesetzten Behörde auf Ab-
hilfe anzutragen ist, beschränkt nicht die Klageerhebung gegen den Beamten, sondern nur die gegen
den Staat: HG. 1913, n. 185. Andernfalls würde sie auch unwirksam sein. Stein, Grenzen
und Beziehungen, S. 112 f.; unten S. 143. Z
4) Diese Grundsätze über die Haftung des Staates für Beamte beschränken sich ebenso wie die
über die Haftung der Beamten nicht auf Beamte im Sinne des Beamtengesetzes (oben §# 32 a. E.).
Speziell bezieht sich auch das Lüb. Ges. v. 17. Febr. 1912 über die Haftung des Staates und der
Gemeinden für ihre Beamten auch auf andere Angestellte (Lüb. Verh. 1911 D. N. .
5) Auf die Grundsätze der Unterscheidung kann hier nicht eingegangen werden; es sei ver-