100 Die Organisation des Staates. l36
IV. Im Anschluß an die Reichsversicherungsgesetze, welche die Rechte der Be-
amten und Angestellten auch sonst mannigfach beeinflußt haben, sind in neuerer Zeit
eine Reihe besonderer Gesetze ergangen, welche teils die Ansprüche der Beamten
denen der Versicherten anpassen, teils den Kreis der Fürsorgeberechtigten weiter
ausdehnen sollen. Dahin gehören:
1. Nach dem Vorgang des Unfallversicherungsgesetzes und speziell der reichs-
gesetzlichen Bestimmungen über die Fürsorge für Beamte bei Betriebsunfällen (setzt
G. v. 18. Juni 1901) haben auch Bremen und Lübeck den durch Betriebsun fall
dienstun fähig gewordenen Beamten und ihren Hinterbliebenen
besondere Ansprüche gegeben, um ihnen die zum Teil weitergehende Fürsorge der
Unfallversicherung zu gewähren (Brem. G. v. 20. März 1904, S. 85; Lüb. G. v.
26. Mai 1902, S. 95 mit Nachtrag v. 4. Dez. 1909, S. 324) u).
2. Für die nicht nur vorübergehend in seinem Dienst beschäftigten, der Ange-
stelltenversicherung — oder in Bremen auch der Invalidenversicherung — unter-
liegenden Personen hat der Staat das Versicherungsrisiko übernommen, indem er
unter entsprechenden Bedingungen ihnen einen Anspruch auf Pension und Hinter-
bliebenenversorgung gewährleistet und sie damit von der reichsgesetzlichen Versiche-
rungspflicht befreit (Brem. G. v. 25. Dez. 1912, S. 291; Lüb. G. v. 30. Dez. 1912,
S. 537).
3. Während diese Gesetze einen Ersatz der reichsgesetzlichen Versicherung schaffen
sollen, gewährt der Staat andererseits auch in Ergänzung der reichsgesetz-
lichen Invalidenversicherung den in seinem Dienst beschäftigten Arbeitern eine weiter-
gehende Ruhelohnberechtigung. Das Brem. G. betr. die Ruhelohn-
berechtigung der in staatlichen Betrieben beschäftigten Arbeiter v. 13. Dez. 1906
(S. 499) beruht auf dem System der Beitragspflicht der Arbeiter (zu 1½) und gibt
ihnen andererseits einen Anspruch auf den Ruhelohn (200—400 Mk. jährlich) nach
Ablauf der bestimmten Wartezeit (in der Regel 5 Jahre) 2). In Lübeck wird über
eine weitergehende Versorgung der Angestellten und Arbeiter zur Zeit beraten 3).
V. Die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten und ihrer
Hinterbliebenen gegen den Staat können im Wege der Zivilklage geltend ge-
macht werden. Die Streitfrage, ob sie dem Privatrecht oder — nach der neuerdings
mehr und mehr durchdringenden Auffassung — dem öffentlichen Recht angehören,
tritt deshalb an Bedeutung zurück, weil an ihrer Klagbarkeit in den Hansestädten
nicht gezweifelt werden kann ). Für die Ansprüche sind die Landgerichte ausschließ-
lich zuständig (oben § 30 II).
1) Die Bestimmungen schließen sich eng an das Reichsgesetz an. Ueber die Natur des Anspruches
und daß dieser auch durch spätere disziplinarische Entlassung nicht berührt wird: RG. Bd. 72, S. 70 f.
2) Die Verwaltung der Ruhelohnkasse geschieht durch die Behörde für das Versicherungswesen.
Streitigkeiten werden vom Versicherungsamt und vom Oberversicherungsamt entschieden (Abände-
rung durch Ges. v. 27. Sept. 1912 (S. 204); Vorschriften über das Verfahren vom gleichen Tage
(GBl. S. 206). Für Hamburg: Ges. über die Versorgungskasse f. staatl. Angestellte und Arbeiter
v. 15. Febr. 1907.
3) Entwurf eines Gesetzes in Verh. 1913, n. 40.
4) Für ihren öffentlichrechtlichen Charakter: Jellinek, System , S. 181 f.; Laband,
StR.- 1, S. 513, der mit Recht bemerkt, daß ihre Bezeichnung als privatrechtlicher Ansprüche
meist auf einer Verwechselung von klagbaren mit zivilrechtlichen Ansprüchen beruhe. Ferner R.
Bd. 53, S. 429; Bd. 68, S. 218; HG. 1904, n. 28. Das BGB. hat nach Art. 80 des E. die landes-
rechtlichen Bestimmungen über die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten unberührt gelassen.