Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

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stehend voraus und gibt Vorschriften über ihre Durchführung (§ 78 ff.). Bei näherer 
Prüfung aber hat man stets davon abgesehen in der Erkenntnis, daß die Schwierig- 
keiten der finanziellen Auseinandersetzung und die Umständlichkeit eines besonderen 
Verwaltungsapparates zu den erhofften Vorteilen in keinem Verhältnis stehen 
würden. Unhbilligkeiten, die sich aus der Bestreitung der städtischen Bedürfnisse der 
Hauptstadt aus der Staatskasse in finanzieller Beziehung für die anderen Gemeinden 
ergeben, werden durch Zuwendungen aus der Staatskasse oder durch Entlastung der 
Gemeinden von Verpflichtungen z. B. im Schulwesen auszugleichen gesucht. 
III. Diese mangelnde Trennung von Staat und Stadt in den Hansestädten gibt 
zu Zweifeln Anlaß bei Anwendung der Reichsgesetze, wo diese eine Gemeindeorgani- 
sation voraussetzen. Dabei werden als Grundsätze gelten müssen: Wo die Reichs- 
gesetze eine Regelung durch Ortsstatut bestimmen, sind diese in Lübeck von 
Senat und Bürgerschaft, in Bremen von Senat und Stadtbürgerschaft zu erlassen 1). 
Setzen die Reichsgesetze die Tätigkeit einer Gemeindebehörde voraus, 
so überlassen sie es mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Organisation in den 
einzelnen Staaten regelmäßig der Landeszentralbehörde — in den Hansestädten 
also dem Senat — die Behörde, welche für die Angelegenheit als Gemeindebehörde 
anzusehen ist, „zu bestimmen“ oder doch „bekannt zu geben“ 2). Für die Hansestädte 
wird dann davon auszugehen sein, daß bei der mangelnden Trennung von Stadt- 
und Staatsverwaltung nicht nur die speziell mit der Verwaltung einzelner städtischer 
Anstalten betrauten Behörden, sondern auch die Staatsbehörden, sofern sie auch 
Gemeindeangelegenheiten verwalten, also z. B. die Finanzdeputation, als Ge- 
meindebehörden bezeichnet werden können 2). Wo allerdings nach dem Reichsgesetz 
neben der Polizeibehörde eine Gemeindebehörde mitwirken soll, kann es nicht zu- 
lässig sein, der Polizeibehörde zugleich die Funktionen der Gemeindebehörde zu über- 
  
  
1) So auch in der Praxis z. B. für Bremen: Ortsstatut betr. die Erlaubnis zum Betriebe 
der Schenkwirtschaft v. 15. Juli 1902 (S. 146), erlassen von Senat und Stadtbürgerschaft; für 
Lübeck: Ortsstatut für das Kaufmannsgericht in Lübeck v. 20. Juni 1906 (S. 69), erlassen vom 
Senat „im Einvernehmen mit der Bürgerschaft“. Doch sind in Bremen auch manche durch „Orts- 
statut“ zu regelnde Angelegenheiten durch Gesetz von Senat und Bürgerschaft bestimmt. — Es 
fehlt in den Hansestädten dann allerdings eine höhere Verwaltungsbehörde, die z. B. gemäß 
Gew.O. §. 142 das Ortsstatut noch genehmigen könnte. 
2) Die „Bestimmung"“ der Behörden ist dem Staat überlassen, vor allem in RVO. F 111, 
die „Bekanntmachung" in Gew. O. § 155. Streitig ist, ob die Zentralbehörde, wo ihr nur die Be- 
kanntmachung überlassen ist, eine nur deklaratorische Funktion ausübt oder auch nach ihrem Er- 
messen eine Behörde bezeichnen kann. Nach Landmann, Kommentar zur Gew.O zu § 155, 
Anm. 3, ist sie wenigstens insofern gebunden, als sie nicht eine Behörde bezeichnen kann, die nach 
ihrer Stellung einen wesentlich anderen Charakter hat, als im Reichsgesetz vorgesehen. Aehn- 
lich auch HG#3. 1901, n. 23. — Für Bremen sind z. B. zu Gemeindebehörden für Aufgaben der 
Gewerbeordnung bestellt (V. v. 25. März 1892) die Gewerbekommission des Senats und die 
Polizeidirektion; für die Reichsversicherungsordnung (V. v. 31. Dez. 1911) die Behörde für Ver- 
sicherungswesen; für Lübeck in Gewerbesachen (V. v. 11. Mai 1898) das Polizeiamt und das 
Stadt= und Landamt; für das Versicherungswesen (V. v. 6. Dez. 1911) das Stadt= und Land- 
amt. Für Hamburg eingehend dazu Wulff, S. Hamb. Ges. I, S. 513, Anm. 4. 
3) So im wesentlichen auch die die Bezeichnung der Hamb. Finanzdeputation als Gemeinde- 
behörde billigende Entscheidung des Hans. OL G. in HG. 1901, n. 23; ferner HG. 1900, n. 155; 
1903, n. 82. Die von Seelig, Hamb. StR., S. 44, vertretene Ansicht, daß in Hamburg der 
Senat allein Gemeindebehörde sei und die Bezeichnung einer anderen Behörde begrifflich un- 
möglich und rechtlich unzulässig, ist danach nicht zu halten; ebensowenig die von Wulff a. a. O., 
daß im Zweifel nur Senat und Bürgerschaft Gemeindebehörde seien. Dafür, daß der Senat als 
Zentralbehörde sich auch zur „höheren Verwaltungsbehörde“ bestellen kann, auch REG. Bd. 68,
	        
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