Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

110 Die Organisation des Staates. 8 41 
  
tragen, da das Reichsgesetz durch die Mitwirkung der letzteren eine Gewähr für die 
Unparteiische und zuverlässige Prüfung bieten will und da es auch in den Hanse- 
städten an Behörden, die gegenüber den Polizeibehörden den Charakter von Ge- 
meindebehörden haben, nicht fehlt 1). Wo endlich nach den Reichsgesetzen eine Unter- 
scheidung der Staats- und Gemeindesteuern von Bedeutung ist — z. B. 
bei dem Doppelsteuergesetz, dem Reichsbesteuerungsgesetz — werden die nur auf 
die Stadt Bremen und Lübeck beschränkten Steuern, z. B. dort erhobene Zuschläge 
zur Einkommensteuer, und die für speziell kommunale Aufgaben erhobenen Ab- 
gaben, so die Kanal-, Wasser-, Erleuchtungs-, Armensteuer als Gemeindeabgaben 
anzusehen sein (unten § 63 II). 
# 41. Die bremischen Hafenstädte Bremerhaven und Vegesack. Unter den 
beiden Hafenstädten steht Bremerhaven an Bedeutung weit voran (über den Erwerb 
durch Bremen oben S. 20). Bremerhaven hatte (1910) 24 165 Einwohner:; sein 
Budget ergab (1911) einen Bedarf von 2,5 Millionen Mk.; Vegesack hatte für die- 
selbe Zeit 4 265 Einwohner und ein Budget von 617 000 Mk. 
I. Jhre Staatsverwaltung: Die Lokalverwaltung der Hafenstädte 
hat ihre Spitze in dem „Senatskommissar für die Hafenstädte"“. Ihm unterstehen 
als untere Verwaltungsbehörden die Aemter VBegesack und Bremerhoven, ersteres 
besetzt mit einem Polizeikommissar, letzteres mit einem zum Richteramt oder höheren 
Verwaltungsdienst befähigten Amtmann. Ihnen liegt die lokale Polizeiverwaltung 
ob, soweit sie nicht den Gemeindebehörden übertragen ist; Befugnisse der Staats- 
aufsicht über die Gemeinden stehen ihnen nicht zu 2). 
II. Die Kommunalverwaltung der Hafenstädte: Die 
Hafenstädte erhielten zuerst durch G. v. 5. Juli 1850 (S. 75) eine Verfassung. Jetzt 
gelten die Verfassungen vom 18. September 1879 (S. 277), die den Ent- 
wurf einer preußischen Städteordnung von 1876 zum Muster nahmen und im wesent- 
lichen gleich lauten 2). 
1. Die persönliche Grundlage bildet die Einwohnerge- 
meinde. Gemeindeangehörig sind alle im Stadtgebiet Wohnenden, 
mit Ausnahme aktiver Militärpersonen. Die politische Berechtigung und Verpflich- 
tung gibt aber erst das Gemeindebürgerrecht, das ohne besondere Auf- 
nahme jedem männlichen, über 25 Jahre alten Reichsangehörigen zusteht, der im 
Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte ist, seit 2 Jahren in der Gemeinde wohnt und ent- 
1) Gegen diese in meinem Brem. StR. S. 109 vertretene Ansicht, wonach z. B. die von der 
Polizeidirektion allein erlassene Brem. Marktordnung ungültig sein würde, spricht sich das Hanf. 
O#G. im Urteil v. 4. Juni 1906, Hans. Entsch. in Strafs., Bd. III. S. 136, aus, ohne indessen 
auf den springenden Punkt einzugehen. Zustimmend Brückner, Lüb. St., S. 68. 
2) Bis 1879 versahen die Aemter auch die untere Gerichtsbarkeit. Nach Enthebung von die- 
sen Aufgaben infolge der Reichsjustizgesetze wurden die Skellen des Amtsmanns mit Polizei- 
kommissären besetzt; seit 1895 steht in Bremerhaven ein Amtmann mit juristischer Vorbildung 
dem Amt vor. Ueber die Entwicklung des Amtes Bremerhaven: Verh. 1912, S. 1008. Der Amt- 
mann in Bremerhaven ist Vorsitzer des Hafenamtes und des Preuß.-, Oldenb.-Brem. Quaran- 
täneamtes; seit 1899 ist ihm ein Assessor beigegeben, der zugleich die staatsanwaltschaftlichen Ge- 
schäfte bei dem dortigen Amtsgericht versieht. Den beiden Aemtern sind regelmäßig die Funk- 
tionen der unteren Verwaltungsbehörden nach den Reichsgesetzen übertragen. Sie sind Strand- 
ämter (Ges. v. 15. März 1902). 
3) Der preußische Entwurf v. 1876 ist nie Gesetz geworden: Schön, Recht der Kommunal= 
verbände in Preußen, §& 10, S. 39 f. Ueber die Abweichungen der Verf. v. 1879 gegenüber denen 
v. 1850: mein Brem. St.= und Verw.-R., S. 111.
	        
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