122 Die Organisation des Staates. 45
eine besondere Stellung ein; sie knüpfen geschichtlich an altüberkommene Einrich-
tungen an, während die übrigen Vertretungen Neuschöpfungen aus der Zeit seit
Einführung der Verfassungen sind.
§* 45. Die Vertretungen des Handelsstandes. A. In Bremen. I. Kauf-
mannskonvent und Handleskammer (Brem. Verf. §89—101; G. die
Handelskammer betr., Ausf.G. V zur Verf. v. 1. Jan. 1894).
Der Großhandel hat in Bremen, wie in den beiden anderen Hansestädten, zwei
Vertretungsorgane, den Kaufmannskonvent und die Handelskammer 1). Den Kauf-
mannskonvent' bilden diejenigen Mitglieder der Bremer Börse — damit also
Großkaufleute — welche entweder dem Senat angehören oder die zur Wahl in die
Bürgerschaft erforderlichen Eigenschaften besitzen und Kaufleute im Sinne des HG.
oder Vorstandsmitglieder kaufmännischer Gesellschaften sind 2) (Näheres G. § 2;
über den Austritt das. § 4, 5). Auch Gewerbetreibende, deren Betrieb über den Um-
fang des Handwerks hinausgeht (HGB. §1 Abs. 2 Z. 2 und 9) gehören also, wenn
sie Mitglieder der Börse sind, zum Kaufmannskonvent, vor allem Großindustrielle;
über ihre Zugehörigkeit zum Gewerbekonvent unten § 46. Der Kaufmannskonvent
berät über Angelegenheiten des Handels und der Schiffahrt (G. § 6) er kann seine
Mitglieder zu Geldbeiträgen für Handelszwecke verpflichten durch Beschluß, der
der Genehmigung des Senats bedarf 3); er ist über die vom Senat im Einver-
ständnis mit der Handelskammer zu erlassenden Regulative in Handels= und Schiff-
fahrtssachen gutachtlich zu hören (G. § 30).
Die Handelskammer ist — auch vermögensrechtlich — „Nachfolgerin des
Collegil Senioruam“ (G. § 26), das freilich außer seiner Stellung als „Kommerz-=
kollegium“ noch eine bedeutende politische Wirksamkeit als „bürgerliches Corps“ —
Vorstand der Bürgerschaft — hatte (oben S. 5)/#). Sie besteht aus 24 vom Kauf-
mannskonvent aus seiner Mitte gewählten Kaufleuten; alle 2 Jahre werden wenig-
stens 2 neue Mitglieder gewählt; Ausscheidende sind nicht sofort wieder wählbar
(Näheres G. § 15—24).
Die Handelskammer ist Vorstand der Kaufmannschaft und Vertreterin ihrer
Interessen. Ueber ihre Stellung als Korporation oben §& 44 a. E. Als Staatsorgan
soll sie das „ununterbrochen wachsame Auge“ für alles, was Handel und Schiffahrt
angeht, sein; sie kann sich jederzeit darüber mit Anträgen und Berichten an den Senat
oder direkt an die Behörden wenden (G. § 27, 28). Ueber alle Gesetze in Handels-
1) In Hamburg die Handelskammer und die Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns:
Ges. v. 22. Jan. 1880. .-« -
2) Die Zugehörigkeit war anfänglich an den Besitz des Bürgerrechts mit Handlungsfreiheit
geknüpft. Mit seiner Aufhebung erfolgte die Bestimmung in dem heutigen Sinne durch Ges. v.
29. Dez. 1862. Ueber die Entwicklung auch Verh. 1903, S. 864.
3) Er setzt den Betrag des Börseneintritts= und -standgeldes fest. Dazu V. v. 28. Jan. 1869
eine Kaufmanns= und Börsensteuer betr. mit Aenderung v. 14. Dez. 1907 (S. 285) und über die
Höhe der Steuer: V. betr. die Kaufmanns= und Börsensteuer v. 1. Jan. 1908 (S. 1) mit Aenderung
v. 28. Dez. 1909 (S. 377). Der Ertrag der Steuer wird im Interesse des Handels, insbesondere
zur Unterhaltung des Börsengebäudes verwandt; außerdem wird ein Schulzuschlag für Unterrichts-
zwecke erhoben.
4) So unterschied der Verf.-Entwurf v. 1818, S. 124, 130. Eine vermögensrechtliche Aus-
einandersetzung des Staates mit dem Collegium Senorium fand 1849 statt (Verh. 1849, S. 180).
Der Schütting blieb Eigentum der Handelskammer; auch die Börse ist ihr Eigentum.