Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

124 Die Organisation des Staates. 8 465 
Die Kammer hat die Interessen der von ihr vertretenen Berufskreise zu wahren, 
gutachtlich dem Senat oder der Handelskommission des Senats als der ihr vorge- 
setzten Behörde zu berichten; auch ernennt sie Sachverständige (G. § 13, 14) :2). Sie 
wählt einen rechts= oder staatswissenschaftlich gebildeten Konsulenten, dessen Wahl 
der Senat zu bestätigen hat (G. F. 12). 
:8. In Lübeck hat der Kaufmannsstand ebenfalls 2 Organe: die Versamm- 
lungen der Kaufmannschaft und die Handelskammer. Die ehemaligen Korporationen 
der 8 „commercirenden Zünfte“ wurden im Jahre 1853, nachdem sie schon durch die 
Verfassung von 1848 ihre politische Stellung loben S. 6) eingebüßt hatten, zu einer 
„einzigen und allgemeinen Kaufmannschaft“ vereinigt und als ihr Vorstand die 
Handelskammer an Stelle des seit 1819 bestehenden Kommerzkollegiums eingesetzt ?). 
Jetzt gilt die Lüb. Kaufmanns-Ordnung vom 20. Juni 1898 (III S. 72). 
Die Stellung der beiden Organe ist in Lübeck eine andere als in den beiden 
anderen Hansestädten; während in Bremen wie auch in Hamburg die Handelskammer 
Korporationsrechte besitzt und das weitere Organ — die Versammlung eines Ehr- 
baren Kaufmanns, der Kaufmannskonvent — nur den Unterbau für sie bildet, ist 
in Lübeck die Kaufmannschaft entsprechend ihrer Entwicklung aus den Kaufleute- 
kompagnien selbständige Korporation und die Handelskammer ihr geschäftsführender 
Ausschuß. 
Zum Eintritt in die „Kaufmannschaft“ berechtigt sind Kaufleute im 
Sinne des Handelsgesetzbuches, deren Firma in das Handelsregister eingetragen ist, 
und Vorstandsmitglieder von Handelsgesellschaften (Näheres Lüb. Kfm.O. 8§2); er- 
forderlich ist ferner Besitz des Bürgerrechts, doch können Staatsangehörige, die 
mangels längeren Wohnsitzes und Steuerzahlung im Staate das Bürgerrecht noch 
nicht erwerben konnten, ausgenommen werden mit der Verpflichtung, es bei Ein- 
tritt der Berechtigung unverzüglich zu erwerben (Nachtrag zur Kfm. O. v. 6. Febr. 
1907, S. 6; oben S. 26). Die Aufnahme erfolgt auf Antrag durch die Handels- 
kammer (über die Ablehnung Kfm. O. § 3; über das Eintrittsgeld: Nachtrag v 12. 
Febr. 1908). Die Kaufmannschaft stellt den Voranschlag ihrer Einnahmen und 
Ausgaben fest und nimmt die Rechnung der Handelskammer ab; zu jeder wesent- 
lichen Aenderung in der Verwaltung der von der Handelskammer verwalteten 
Anstalten ist ihre Genehmigung erforderlich; sie kann Gutachten abgeben und An- 
träge stellen (Näheres Kfm. O. § 36—40; über ihre Verhandlungen § 33—35). 
Die Handelskammer besteht aus dem Präses und 20 weiteren von der 
Kaufmannschaft aus ihrer Mitte gewählten Mitgliedern; jährlich scheiden 3 aus, 
die mit Ausnahme des Präses nicht sofort wieder wählbar sind (Näheres Kfm. O. 
§ 8—14). Der Präses wird auf Vorschlag der Handelskammer von der Kaufmann- 
1) Dazu Sachverständigen= und Gebührenordnung für die von der Kammer für Kleinhandel 
ernannten Sachverständigen v. 21. Dez. 1913 (S. 389). 
2) Ueber die Entwicklung: Siewert, Die zur Vertretung des Handels in Lübeck geschaf- 
f#eenen Einrichtungen der älteren Zeit; 1903. Interessant sind auch für die heutige Stellung die dort 
geschilderten verschiedenen Versuche, eine „Zentralbehörde“ in Handelssachen zu schaffen: 1672 
das consilium commerciorum, 1812 die chambre de commerce, 1813 die Kommerz-Deputation 
1819 das Kommerz-Collegium, dem aber auch der organische Zusammenhang mit den kaufmän- 
nischen Kompagnien fehlte, der dann durch Zusammenfassung der letzteren zu einer Kaufmannschaft 
und Errichtung der Handelskammer als ihres geschäftsführenden Ausschusses durch die erste Kauf- 
mannsordnung v. 18. Juni 1853 geschaffen wurde. 
 
	        
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