Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

126 Die Organisation des Staates. 8 46 
  
sind ferner die Rechte der Industrie in den Gewerbekammern von Bremen und Lübeck 
neuerdings wesentlich verstärkt. Nach der reichsgesetzlichen Errichtung von Hand- 
werkskammern durch die Novelle zur Gew.O. v. 26. Juli 1897 haben die Hanse- 
städte von der Befugnis des § 103 q RöO. Gebrauch machend, ihren Gewerbe- 
kammern die Funktionen der Handwerkskammer übertragen, zu welchem Zweck die 
Organisation allerdings den reichsgesetzlichen Vorschriften entsprechend geändert 
werden mußte. 
1. In Bremen — Verf. § 102—111; G. betr. die Gewerbekammer v. 2. Julie 
1911 (S. 121) — hat der Gewerbestand anders als in den beiden Schwesterstädten 
ebenso wie der Großhandel 2 Organe, zunächst ein weiteres Vertretungsorgan im 
Gewerbekonvent. Er geht hervor aus Wahlen der Gewerbetreibenden im 
Staatsgebiet und besteht aus 248 Mitgliedern, von denen je 124 den Abteilungen 
der Handwerke und der Fabriken angehören. Dabei grenzt das Gesetz die Zugehörig- 
keit ab durch die Definiteon: „Unter Gewerbe ist ein Handwerk im Sinne der Reichs- 
gewerbeordnung oder eine Fabrik zu verstehen. Als Fabrik gilt ein gewerbliches, 
nicht zu den Handwerken gehöriges Unternehmen, das die Herstellung, Bearbeitung 
oder Verarbeitung von Waren zum Gegenstand hat, nach Art und Umfang einen 
in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert und entweder 
Maschinen oder Apparate in erheblichem Umfange oder in der Regel mindestens 
10 Arbeiter, die nicht Heimarbeiter sind, verwendet"“ (G. § 1 Abs. 2 und 3) 12). Wahl- 
recht und Wählbarkeit setzen Besitz der zur Wahl in die Bürgerschaft erforderlichen 
Eigenschaften — also auch des Staatsbürgerrechtes — und den selbständigen Betrieb 
des Gewerbes als Inhaber oder Stellvertreter seit mindestens einem Jahre im Staats- 
gebiet voraus (G. § 2, 3)2). Die Handwerker in der Stadt Bremen und im Land- 
gebiet, sowie die Fabrikanten, wählen in Berufsgruppen (Näheres G. 5§ 7—12). In 
in dem er für die Berechtigung der Gewerbekammer eintrat (Brem. Verh. 1903, S. 863; 1904, 
S. 142). Nach Einleitung des verfassungsmäßigen Verfahrens zum Ausgleich von Meinungsver- 
schiedenheiten zwischen Senat und Bürgerschaft loben § 26) kam eine Einigung zustande, durch 
Anerkennung, daß nach der Verfassung beide Kammern zur Vertretung der Industriellen, die Bör- 
senbesucher sind, zuständig seien, und zwar die Handelskammer für ihre Handelsinteressen, die 
Gewerbekammer für ihre gewerblichen Interessen; in Fragen, die beide Kreise berühren, sind beide 
zuständig. Die Industriellen können beiden Kammern angehören; der Industriebeirat der Handels- 
kammer ist bestehen geblieben (Brem. Verh. 1906, S. 191, 217). — In Lübeck wurde bei den 
Neuredaktionen der Kaufmanns= und Gewerbekammer-Ordnung in 1898 die Förderung der Indu- 
strie als Aufgabe der Handelskammern schärfer betont (Kfm. O. § 22) und ferner die Tätigkeits- 
gebiete beider Kammern dahin abgegrenzt, daß die Gewerbekammer die Interessen der Industrie 
„auf gewerblichem und technischem Gebiete“, die Handelskammer ihre Interessen, soweit ihre 
Wahrnehmung nicht der Gewerbekammer obliege, — also die Handelsinteressen, wahrzunehmen 
habe (Lüb. Gew. K.O. Art. 1; Kfm. O. 5 22) und dazu Bericht des Stadt= und Landamtes in Lüb. 
Verh. 1898 D., n. 14 b). — Die Neugestaltung der Hamburger Gewerbekammer erfolgte durch 
Ges. v. 4. Okt. 1907; danach hat in Hamburg die Gewerbekammer 24 Mitglieder, und zwar je 
12 Vertreter des Handwerks und der Industrie. 
1) Diese Begriffsbestimmung ist eine Neuerung des Gewerbekammergesetzes v. 1911: es gab 
gegenüber dem bisherigen Ges. v. 27. April 1906, das zuerst die Scheidung der Abteilungen 
der Handwerke und Fabriken gemäß den Anforderungen des § 103 4 der Gew. O. durchgeführt hatte, 
den Fabrikanten die gleiche Vertretung wie den Handwerkern und definierte zur schärferen Ab- 
grenzung den ftrnt der Fabrik mit Anlehnung an die Nov. zur Gew.pO. v. 22. Dez. 1908 (Verh. 
1911, S. 460 f.). 
2) Die Aufgabe des selbständigen Gewerbebetriebes hat den Verlust des Wahlrechts, aber 
nicht den der Wählbarkeit, solange der Betreffende kein Gewerbe oder andern Beruf betreibt, 
zur Folge (Ges. s 3, Abs. 3), eine Neuerung des Ges. v. 1911. Bis dahin blieb auch das aktive Wahl- 
recht bestehen. 
  
 
	        
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