130 Die Gesetzgebung. 8 49
setze angesehen und behandelt; der größte Teil der Rat- und Bürgerschlüsse sind keine
Gesetze; auch die Aufstellung des Budgets geschieht in beiden Staaten zwar durch
übereinstimmenden Beschluß von Senat und Bürgerschaft, aber nicht durch Gesetz ½.
Nach den Verfassungen von Bremen und Lübeck erfolgt die „Erlassung, authen-
tische Auslegung, Abänderung und Aufhebung von Gesetzen“ durch Senat und Bürger-
schaft?). Dabei verstehen beide Verfassungen nach dem Zusammenhang unter Ge-
setzen solche materiellen Inhalts ?). Gemeinsame Beschlüsse dieser Art sind als Ge-
setze zu behandeln, insbesondere als solche zu veröffentlichen. Es wird freilich auch
hier nichts im Wege stehen, staatliche Willensakte anderen Inhalts als Gesetze zu
verkünden; sie sind dann formelle Gesetze und können als solche auch nur durch ein
Gesetz aufgehoben oder abgeändert werden ?)).
§s 49. Der Weg der Gesetzgebung. I. Die Gesetzesinitiative steht
Senat und Bürgerschaft — in Lübeck auch dem Bürgerausschuß — zu. Ueber die
Initiative von Bürgerschaft und Bürgerausschuß oben §8 19 Z. 2; § 21 III. Zur Fest-
stellung des Gesetzesinhaltes ist vollkommene Uebereinstimmung der Be-
schlüsse beider Organe erforderlich. Aendert das eine einen von dem anderen ange-
nommenen Entwurfs, so hat dieses über die Aenderungen von neuem zu beschließen;
es würde nicht angängig sein, daß etwa der Senat einzelne Teile eines Entwurfes,
über welche Uebereinstimmung herrscht, herausgreift und sie unter Fortlassung des
Restes als Gesetz publiziert. Der übereinstimmende Beschluß über den Gesetzesinhalt
enthält zugleich die Anordnung, daß er Gesetz werden solle, die Sanktionh).
Die Ausfertigung des Gesetzes ist Sache des Senats. Sie stellt die Ge-
setzesurkunde fest und enthält die Versicherung, daß das Gesetz ordnungsmäßig zu-
stande gekommen sei. Sie legt daher dem Senat die Prüfung auf, ob der Weg des
Gesetzes gewahrt ist, ob die Beschlüsse in allem übereinstimmen, ob, falls erforderlich,
die Handelskammer gutachtlich gehört ist usp. Auf Grund dieser Prüfung beschließt
der Senat die Ausfertigung und Verkündigung des Gesetzes. Das Datum dieses
Beschlusses — in Bremen außerdem das Datum der Verkündigung — wird am
Schlusse des Gesetzes angegeben ). In Lübeck werden die Gesetze nach dem Datum
1) In Hamburg hat die Verfassung allerdings den Begriff des formellen Gesetzes übernom-
men, indem sie die Gegenstände der gemeinsamen Wirksamkeit von Senat und Bürgerschaft als
„Gegenstände der Gesetzgebung“ zusammenfaßt und darunter auch die Aufstellung des Budgets,
Abschluß von Staatsanleihen, Enteignung von Privateigentum und andere Verwaltungsakte
aufzählt. Doch werden auch in Hamburg nur die materiellen Gesetze als solche behandelt (Wolff-
son, Hamb. StR., S. 22; v. Melle, Hamb. St., S. 4, 85).
2) So nahezu übereinstimmend: Brem. Verf. § 58 b; Lüb. Verf. Art. 50 III. Die letztere
hebt neben den Gesetzen nach besonders hervor „Verordnungen in Handelssachen“; dies erklärt sich
historisch daraus, daß nach den Rezessen bei Handelsangelegenheiten nur die „commercierenden“
Kollegien und nicht die ganze Bürgerschaft mitwirkten (Lüb. Verf.-Verh. 1817, S. 34, Anm. 14).
3) Beide erwähnen neben der Gesetzgebung die andern Gegenstände des Zusammenwirkens
lngastellen der Gesetzgebung das Verordnungsrecht des Senats als Ausnahme gegenüber (unten
50).
4) Sog. formelle Gesetzeskraft: Laband, StR. IIs, S. 68f.; auch HGZ. 1896, n. 67.
5) In der Sanktion wird der Ausdruck des Herrscherwillens gesehen, der vom Träger der Staats-
gewalt ausgeht (Laband, StR., Bd. II, S. 29 f.), in den Hansestädten also von Senat und
Bürgerschaft gemeinsam. Ebenso für Hamburg: Nöldeke, Hamb. Landesprivatrecht, S. 41.
Daraus folgt, daß der Senat nicht einen beliebigen Rat= und Bürgerschluß als Gesetz publizieren
kann; die Mitwirkung der Bürgerschaft erstreckt sich auch auf den Gesetzesbefehl.
6) Die Schlußformel der Gesetze lautet in Bremen: „Beschlossen Bremen, in der Versamm-
lung des Senats am . . ... und bekannt gemacht am .. ... “; in Lübeck: „Gegeben Lübeck, in der
Versammlung des Senats, an “