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licher Deputierter zu den einzelnen Verwaltungen 1). Der Kassarezeß von 1665 sicherte vor allem
ihre Mitwirkung bei der Finanzverwaltung.
Waren hiernach die Kompetenzen des Rates und der bürgerlichen Kollegien in fortgeschritte-
ner Weise abgegrenzt, so zeigte doch die Organisation der letzteren ein durchaus mittelalterliches
Gepräge. 12 Kollegien teilten sich in die Rechte der Bürgervertretung: 1. die Zirkel= oder
Junkerkompagnie — die alte Gesellschaft der Patrizier, deren Votum seit 1809 aus Mangel an
Mitgliedern ruhte —; 2. die Kaufleutekompagnie; dann die sog. „commercierenden Zünfte“, die
Kollegien: 3. der Schonenfahrer; 4. der Nowgorodfahrer; 5. der Bergenfahrer; 6. der Rigafahrer;
7. der Stockholmfahrer; weiter die nicht zum Großhandel gehörenden Genossenschaften: 8. der
Gewandschneider; 9. der Krämer; 10. die Brauerzunft; 11. die Schiffergesellschaft; endlich 12. die
Vertretung der Handwerker in den 4 großen und 70 kleinen Aemtern. Diese Kollegienverfas-
sung war unzweifelhaft durchaus veraltet. Große Kreise der Bürger entbehrten darin jeder Ver-
tretung; die Einteilung der Kaufleute in die Genossenschaften hatte längst ihre Bedeutung ver-
loren; die Zahl der den einzelnen Kollegien angehörenden Bürger war eine sehr ungleiche.-).
Ebenso umständlich wie veraltet war auch die Art der Beschlußfassung; die Kollegien verhandelten
getrennt; jedes hatte eine Kuriatstimme; aus diesem zogen die Aeltesten der Kollegien den Bürger-
schluß.
B. Die Entwichlung der Staatsverfassungen.
I. Die Reformversuche im Anschluß an die französische Zeit.
Nach der völligen Umgestaltung während der französischen Herrschaft machte sich auch in
den Hansestädten die Ueberzeugung geltend, daß der äußeren Wiedecherstellung die innere Wie-
dergeburt durch Reform der veralteten Verfassungen folgen müsse. Bei Viederherstellung der
alten Ordnung bezeichneten die Senate es als nächste Sorge, durch sorgfältige Reinigung der
Verfassung von ihren früheren Mängeln „den Völkern Europas zu zeigen, daß die Städte wür-
dig seien, als selbständige Staaten fortzubestehen“ 53).
1. In Bremen wurde im April 1814 eine Deputation zur Vorbereitung einer Ver-
fassungsreform eingesetzt, die schon nach wenigen Monaten einen Bericht erstattete, der außer
eingehenden Reformvorschlägen den Entwurf einer Verfassung enthielt ). Dieser
schloß sich eng an das Bestehende an. Der Rat sollte sein Selbstergänzungsrecht behalten; im
Interesse besserer Geschäftserledigung sollte aus dem Regierungssenat ein Justizsenat zur dauern-
den Besetzung der Gerichte ausgeschieden werden. Der Bürgerkonvent blieb als Versammlung
der vermöge ihres Berufes, ihrer sonstigen Stellung oder ihres Vermögens dazu berechtigten
Notabeln bestehen; auch das Kollegium der Elterleute sollte seine Stellung als „bürgerliches
Corps“ behalten. Auf Grund dieses Entwurfes zogen sich Verhandlungen zwischen Senat und
Bürgerkonvent durch mehrere Jahre hin ). Dem ersteren waren die geringen Neuerungen des
Entwurfes noch bedenklich; er wollte neben der geschriebenen Verfassung die alten Observanzen
aufrecht erhalten 2). Auch auf seiten des Bürgerkonvents fehlten weitere Gesichtspunkte; er
1) Zuerst bei der Neuordnung der Verwaltung der Hospitäler zum Heil. Geist und St. Jür-
gen 1602; dann folgt 1609 die Verwaltungsbehörde für die Zulage. Hoffmann, a. a. O.
Bd. II, S. 80 f., Wehrmann a. a. O., S. 65 f.
2) Siehe die eingehende Schilderung bei Brunso. a. O., S. 6 ff., Wurma. a. O., S. 22fsf.
Danach hatten 1838 die Kaufleutekompagnie 23 Mitglieder, die Schonenfahrer 78, die Nowgorod-
fahrer 14, die Bergenfahrer 37, die Rigafahrer 16, die Stockholmfahrer 11, die Gewandschneider
10, die Krämer 218, die Brauer 123, die Schiffergesellschaft 90, die Aemter 1089.
3) So für Bremen die Erklärung bei v. Bippen, Bd. III, S. 391; in Lübeck Senatspro-
position v. 2. März 1814 in Verf.-Verhandlungen, 1817, S. 2f. In Hamburg sah Perthes
den Grund der Wiederbesetzung durch die Franzosen darin, „daß nach dem Einrücken Tettenborns
das Alte ohne innere Wiedergeburt wiederhergestellt wurde“. Mönckeberg, Hamburg unter
dem Drucke der Franzosen 1806—1814. (1864), S. 316.
4) Gedruckt als „Hauptbericht der am 5. April 1814 ernannten gemeinschaftlichen Deputa-
tion, enthaltend Vorschläge zu Verbesserungen und näheren Bestimmungen in der Verfassung
der freien Hansestadt Bremen“. Eine Kritik des Entwurfs bei Wurm, Verfassungsskizzen, S. 46 ff.
Auch in: „Freimüthige Bemerkungen über die neuen Konstitutionen der freien teutschen Reichs-
städte“ (anonym). 1815.
5) Besonders gedruckt sind die Verhandlungen bis 1818: „Verhandlungen über die Verfas-
sung der freyen Hansestadt Bremen“, 1818; und die späteren: „Verhandlungen über die Ver-
fassung der freien Hansestadt Bremen vom 1. Mai 1818 bis zum 28. Juli 1820“, 1821.
6) „Seiner Pflicht sich bewußt, dergleichen Gegenstände mit deutschem Ernste zu behandeln,