8 51 Die Prufung der Rechtsgültigkeit von Gesetz und Verordnung durch den Richter. 135
Berücksichtigung der lokalen Besonderheiten zu regeln, von wesentlich geringerer
Bedeutung als in größeren Staaten, wie z. B. im Deutschen Reich.
Rechtsverordnungen bedürfen gemäß ihrem Inhalte ebenso wie die Gesetze
nach erfolgter Feststellung des Inhaltes und Ausfertigung der Verkündigung.
Verordnungen des Senats werden in das Gesetzblatt ausgenommen; für sie ist diese
Art der Veröffentlichung erforderlich 1). Für Verordnungen anderer Behörden
wird auch eine andere Kundgabe genügen 2).
II. Das dem Senat in den Verfassungen eingeräumte Verordnungsrecht be-
zieht sich nur auf Landesgesetze. Es gibt dem Senat kein Recht, Ausführungs-
vorschriften zu Reichsgesetzen zu erlassen. Hierzu bedarf es beson-
derer Ermächtigung durch die Reichsorgane. Die kraft solcher Ermächtigung er-
lassenen Vorschriften gelten dann kraft Reichsrechtes und gehen den Landesgesetzen
vor ?). Die Reichsgesetze bestimmen dabei in der Regel, wer zum Erlaß der Aus-
führungsvorschriften berechtigt sein soll. Sehen sie die Ausführung durch die „Landes-
regierung“", die „Zentralbehörde“ oder „die höchste Verwaltungsbehörde“ vor, so
hat der Senat die Bestimmungen zu erlassen #). Soll dagegen die Ausführung durch
„landesherrliche Verordnung“" erfolgen, so muß in den Hansestädten die Bürger-
schaft mitwirken, da der Senat nicht Landesherr ist (oben §& 5 II) 5). Ueberläßt ein
Reichsgesetz die Ausführung den Bundesstaaten ohne nähere Bestimmung des zu-
ständigen Organs, so entscheidet sich die Zuständigkeit nach dem Staatsrecht des
einzelnen Bundesstaates s). (Ueber die Mitwirkung von „Gemeindebehörden“" dabei
oben § 40 a. E.)
§ 51. Die Prüfung der Rechtsgültigkeit von Gesetz und Verordnung durch
den Richter. Ueber die Befugnis des Richters, Gesetz und Verordnung auf ihre
Rechtsgültigkeit zu prüfen, fehlen in Bremen und Lübeck besondere Bestimmungen;
es finden daher die allgemeinen Grundsätze des deutschen Staatsrechts Anwendung.
1. Nach diesen hat der Richter die Gültigkeit der Gesetze grundsätzlich zu prüfen.
Er soll nur anwenden, was wirklich Gesetz ist. Die Frage aber ist, wie weit sich seine
Prüfung zu erstrecken hat, und zwar sowohl nach der äußeren, formellen Seite, als
auch in bezug auf den Inhalt des Gesetzes.
1) In Lübeck ist für Verordnungen und Bek. des Senats die Aufnahme in das Gesetz= und
Verordnungsblatt vorgeschrieben durch die Bek. v. 15. Sept. 1899 (III, S. 314).
2) So für Reichsverordnungen RG. Bd. 40, S.76; Bd. 48, S. 84. Anderer Ansicht Laband
StR.“ Bd. II, S. 110.— Eine Verkündung von Ortsstatuten durch Zustellung an Interessenten sieht
für Bremen als ausreichend an die Entsch. des Hans. OL G. in Strafs., Bd. I, S. 393. Ueber die
Notwendigkeit der Verkündung im allgemeinen das. Bd. I, S. 457.
3) Näheres Laband, StMR.-s, Bd. II, S. 102 f. — Auch R. Bd. 67, S. 407.
4) So auch Nöld eke, Hamb. Landesprivatrecht, S. 48; Wulff, Hamb. Ges. und V.,
Bd. I, S. 5, Anm. 3, S. 9, Anm. 3. Anderer Ansicht bezüglich der Zuständigkeit des Senats als
Landesregierung: H an f ft a. a. O., S. 62. Auch in der Praxis hat aber der Senat in allen 3
Hansestädten als Landesregierung z. B. die Ausführungsbestimmungen zu BGB. 8 1322, Abs. 3,
1723, Abs. 3, 1745, Abs. 3 erlassen.
- 5) So auch Nöldeke a. a. O., S. 48; v. Melle, Hamb. StR., S. 90; Wulff, Hamb.
Ges. und V., S. 3, Anm. 3; Brüdner, Lüb. StR., . 8, 86. Anderer Ansicht Seelig,
Hamb. St., S. 60u. der den Senat als Landesherrn ansieht (oben S. 16). Demgemäß sind auch
z. B. die „landesherrlichen“ Ausführungsbestimmungen zu §8 90, 92 der GB0. und Art. 186 EG. zum
Be B. in Hamburg und Lübeck durch Ges. erlassen; in Bremen allerdings unzulässigerweise durch
den Senat (Brem. V. v. 19. Dez. 1899 (S. 303).
6) So bestimmen z. B. zu BGB. 522, 80 die Ausführungsgesetze von Bremen 82, 4 und Lübeck
§ 3, 6, daß der Senat die dort den Bundesstaaten überlassenen Anordnungen trifft.