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Nach der formellen Seite erstreckt sich die Prüfung auf die gehörige Aus-
fertigung und Verkündigung des Gesetzes; die Kundgabe durch das berufene Organ,
also den Senat, bezeugt maßgeblich die Innehaltung des Weges der Gesetzgebung.
Weiter Zurückliegendes ist der Nachprüfung entzogen).
Nach dem Inhalte hat der Richter zu prüfen, ob ein Landesgesetz mit
dem Reichsrecht in Widerspruch steht, da die Reichsgesetze nach Art. 2 der R. Verf.
den Landesgesetzen vorgehen. Dagegen hat der Richter die Verfassungs-
mäßigkeit des Gesetzes nicht zu prüfen. In Staaten, in denen besondere
Formen für eine Verfassungsänderung nicht bestehen, ist dies ohne Bedeutung.
In anderen Staaten dagegen, wo wie in Bremen für Verfassungsänderungen ein
besonderes Verfahren vorgeschrieben ist, erhebt sich die Frage, ob der Richter ein
Gesetz für ungültig ansehen kann, weil es inhaltlich der Verfassung widerspricht und
die Form der Verfassungsänderung nicht gewahrt ist. Nach anerkannten Grund-
sätzen des deutschen Staatsrechtes ist diese Frage zu verneinen 2). Der Gesetzgeber
entscheidet allein, ob ein Gesetz eine Verfassungsänderung enthält. Die Verfassungs-
bestimmung ist nur Norm für die gesetzgebende Gewalt; der Richter steht auch hierin
unter dem Gesetzgeber.
2. Die Verordnung hat der Richter darauf zu prüfen, ob sie ordnungs-
mäßig erlassen, z. B. gehörig verkündet ist, und ob ihr Inhalt dem Gesetz entspricht ?.
In letzterer Beziehung hat die Prüfung sich darauf zu erstrecken, ob die Verordnung
von einem zuständigen Organ ausgeht, ob sie sich im Rahmen der Zuständigkeit
desselben hält und ob ihre Bestimmungen nicht mit den Gesetzen in Widerspruch
stehen. Nicht zu prüfen dagegen ist, ob der Erlaß der Verordnung zweckmäßig war.
Sechster Abschnitt: Die Verwaltung.
I. Kapitel: Allgemeines.
#52. Grundsätze und Garantien der Berwaltung im Rechtsstaate. Die Ver-
waltung steht als dritte Funktion des Staates neben der Gesetzgebung und Recht-
sprechung. Während die Gesetzgebung die Rechtsordnung schafft, die Rechtsprechung
1) So Lüb. OA. in Seuff. Arch., Bd. 26, n. 99 (Lüb. S.). Laband, St.“, Bd. II, S.
46 f.; O. Mayer, Verw.-RK., Bd. 1, S. 282. Nöldeke, Hamb. Privatrecht, 8 11, Anm. 2
will dem Richter das Recht wahren, Irrtümer bei Ausfertigung und Publikation zu berücksichtigen.
Das wird auch durch die oben vertretene Ansicht nicht ausgeschlossen. Vgl. auch H#G Z. 1903, . 12.
2) Im allgemeinen über die Frage Laband, Stf., II, S. 46 f.; Meyer-Anschütz,
StR.“, S. 633. — Für Bremen ist die Frage vor allem praktisch geworden mit Rücksicht auf §3 19
der Verf. betr. die Unverletzlichkeit des Eigentums und seine Abtretung gegen volle Entschädigung.
Das Lüb. Oe. entschied für das Prüfungsrecht und hielt die Bestimmung des § 5 der Landge-
meinde-O., wonach alle Befreiungen von Gemeindelasten ohne Entschädigung fortfallen sollen,
gegenüber §5 19 der Verf. für nichtig (Seuff. Arch. Bd. 32, n. 191; Stadtländer und La-
husen, Sammlung n. 21 S. 122). Dagegen sprach sich das Reichsgericht bei einer angeblichen
Kollision der brem. Deichordnung mit dem & 19 gegen das Prüfungsrecht aus: R. Bd. 9, S.
235: „Es handelt sich hierbei nicht darum, ob ein Grundsatz der Verfassung abgeändert sei, sondern
nur darum, ob das Gesetz ohne Abänderung der Verfassung '(und ohne Anwendung der dieserhalb
vorgeschriebenen Formen) hätte erlassen werden dürfen. Diese Frage ist aber der Nachprüfung durch
den Richter entzogen.“ Seitdem ebenso die konstante Praxis: HGß. 1884, n. 24; 1894, n. 116;
1904, n. 29; 1906, n. 56; 1913, n. 141; auch 1907, n. 53 (Hamb. S.).
3) Laband Stf. Bd. II, S. 105 Jellinek, Gesetz und Verordnung, S. 406 f. Ueber
die Grenzen des Prüfungsrechtes bezüglich der interna: HG #1909, n. 31. März 1931, n, 39.