Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

180 Die Verwaltung. 871 
  
nicht geschlossen werden, daß ein solcher unmöglich sei 1); Zweifel können nur darüber 
bestehen, wie der Austritt zu vollziehen ist. Mangels besonderer Bestimmungen 
wird bei der in Bremen seit langem bestehenden Selbständigkeit der Einzelgemeinden 
(unten III) eine Anzeige an die Vertretung der Gemeinde der bisherigen Zugehörig- 
keit für genügend zu halten sein 2). 
In Lübeck ist der Austritt aus der evangelisch-lutherischen Landeskirche und 
der römisch-katholischen Kirchengemeinde im Zusammenhang mit der Verleihung 
des Besteuerungsrechtes an sie geregelt; er erfolgt durch eine in Person vor dem 
Stadt= und Landamt abzugebende Erklärung, der ein schriftlicher Antrag mindestens 
4 Wochen zuvor vorhergehen muß (6G. betr. den Austritt aus der evangelisch-luthe- 
rischen Landeskirche im Lüb. Staat v. 16. Jan. 1895, II, S. 303; G. betr. den Aus- 
tritt aus der römisch-katholischen Kirchengemeinde v. 14. März 1904, S. 77). 
Ueber die religiöse Erziehung der Kinder, deren Regelung 
nach Art. 134 EG. zum BGB. dem Landesrecht vorbehalten ist, sind in Lübeck 
in § 110—116 des AG. zum B#B. v. 30. Okt. 1899 besondere Bestimmungen ge- 
troffen. In Ermangelung solcher hat in Bremen die religiöse Erziehung der Kin- 
der als Teil der Sorge für ihre Person zu gelten 3). 
II. Die Religionsgesellschaften nehmen nach der geschichtlichen 
Entwicklung in Deutschland eine besondere Stellung im Staate vor anderen Vereinen 
ein. Das allgemeine Vereinsrecht findet auf sie nicht oder nur vorbehaltlich besonderer 
Bestimmungen des Landesrechts Anwendung (Reichsvereins-G. v. 19. April 1908 
§ 24; EG. zum BG#B. Art. 83). 
a) Zur Bildung neuer Religionsgesellschaften ist in 
beiden Staaten staatliche Genehmigung nicht erforderlich). In Bremen er- 
wirbt eine Religionsgesellschaft auch die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Be- 
stimmungen durch Eintragung in das Vereinsregister (BG#B. § 21; Einspruch der 
Verwaltungsbehörde nach § 26) 5). Allerdings ist nach § 57 d der Brem. Verf. zur 
1) Vgl. Friedberg, Lehrb. des Kirchenrechts 5, § 94, Anm. 11; auch die Begründung der 
Senatsvorlage Verh. 1914, S. 412. 
2) Nach einem vor kurzem vom Senat vorgelegten, aber von der Bürgerschaft einstweilen 
an ihn zurückverwiesenen Entwurf (Verh. 1914, S. 412) soll der Austritt aus der evangelischen 
und katholischen Kirche als vollzogen gelten durch eine in Person gegenüber der Senatskommis- 
sion für kirchliche Angelegenheiten abzugebende Erklärung, deren Aufnahme mindestens einen 
Monat zuvor schriftlich oder mündlich zu beantragen ist. Ein 1909 vom Senat vorgelegter Ent- 
wurf eines Kirchensteuergesetzes für Bremerhaven sah Erklärung des Austritts gegenüber der Ge- 
meindevertretung vor (Verh. 1909, S. 493). — In Hamburg ist der Austritt aus einer der 
anerkannten religiösen Gemeinschaften allgemein geregelt durch Ges. v. 12. Dez. 1888: Vollziehung 
durch Erklärung gegenüber der Aufsichtsbehörde für die Standesämter, die 4 Wochen vorher zu 
beantragen ist. 
3) Ebenso für Hamburg, wo auch Bestimmungen fehlen: HG#Z. 1903, n. 19 und Nöldeke, 
Hamb. Privatrecht, § 138 II. 
4) In Hamburg ist nach der Verf. Art. 96 und dem Ges. v. 28. Sept. 1860 zur Bildung einer 
neuen Religionsgemeinschaft ein Gesetz erforderlich: Nöldeke, Hamb. Privatrecht, S. 128. 
5) Nach §12 der Brem. Verf. ist jeder Staatsangehörige „zu gemeinsamen häuslichen Uebungen 
seiner Religion berechtigt“; die Verf. v. 1849 (§ 20) fügte hinzu: „Neue Religionsgesellschaften dür- 
fen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht“. Die rev. 
Verf. v. 1854 übernahm diesen Zusatz nicht. Andererseits gibt es auch keine Vorschrift, welche zur 
Bildung einer Religionsgemeinschaft staatliche Genehmigung vorschreibt; es kommt das allgemeine 
Vereinsrecht zur Anwendung, das die Bildung neuer Vereine frei gibt. Bis zum Inkrafttreten 
des BG#B. verlieh der Senat den Religionsgesellschaften Korporationsrechte, so der israelitischen 
Gemeinde, der Baptistengemeinde u. a.
	        
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