Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

871 Staat und Kirche. 183 
  
eingeführt ist; der Senat nimmt das Kirchenregiment über die reformierten und 
lutherischen Gemeinden in gleicher Weise wahr. Zur Bildung einer kirchlichen Ver- 
fassung ist es in Bremen nicht gekommen. 
1. In Bremeng sind Senat und Bürgerschaft als Landesherren gemeinsam 
Träger des Kirchenregiments der evangelischen Kirche; jedoch steht die Aus- 
übung „des protestantischen Episkopatrechtes in her- 
kömmlicher Weise, unbeschadet der bestehenden Rechte der kirchlichen Ge- 
meinden", dem Senat zu (Brem. Verf. §& 57 d) :). Dieser übt das Kirchen- 
regiment selbst oder durch seine „Senatskommission für die kirchlichen Angelegen- 
heiten“ aus. Eine eigene kirchliche Oberbehörde fehlt ebenso wie ein Zusammenschluß 
der einzelnen evangelischen Gemeinden in einer Synode. Das Kirchenregiment des Se- 
nats bildet die Einheit in der evangelischen Kirche Bremens; im übrigen gibt es nur ein- 
zelne Gemeinden. Obman unter diesen Umständen in der evangelischen Kirche Bremens 
eine Rechtspersönlichkeit neben den Gemeinden erblicken kann, erscheint zweifelhaft 3). 
Der Senat hat von seinem Kirchenregiment seit langem nur den notwendigsten 
Gebrauch gemacht und den Gemeinden weitgehende Unabhängigkeit in der Selbst- 
verwaltung ihrer Angelegenheiten, sowie den Geistlichen Lehrfreiheit gelassen. Wie 
weit danach der Inhalt „des Epistkopatrechtes in herkömmlicher Weise“, das nach der 
Verfassung an den bestehenden Rechten der Gemeinden seine Schranke finden soll, 
reicht, ist im einzelnen zweifelhaft"). Aus den Gemeindeverfassungen ergeben sich be- 
stimmte Rechte, die der Senat ausübt; so bestätigt er wichtigere Gemeindebeschlüsse, 
vor allem die Gemeindeverfassungen selbst; er bestätigt die Wahl der Pastoren, er- 
läßt das Berufungsschreiben an sie und nimmt eine Disziplinargewalt über sie in 
Anspruch, über die freilich nähere Bestimmungen fehlen 5). 
1) Ueber die Entwicklung und heutigen Verhältnisse der evangelischen Kirche in Bremen: 
O. Veeck, Geschichte der reformierten Kirche Bremens (1909); auch Friedberg, die geltenden 
Verfassungsgesetze der evangel. deutschen Landeskirchen (1885), S. 927f. 
2) Vgl. das oben S. 15 f. über den Träger der Staatsgewalt Gesagte. Auch Friedberg, 
siirchemecht 5, § 78, Anm. 1I sieht als Träger des Kirchenregimentes in Bremen Senat und Bürger- 
aft an. 
3) Friedberg, Verfassungsrecht, § 8, S. 91: „In dem einheitlichen landesherrlichen 
Regiment schließen sich die einzelnen Gemeinden organisch zu einer Persönlichkeit zusammen.“" 
Ueber die Versuche zur Bildung einer Kirchenverfassung im 19. Jahrhundert: Veeck a. a. O., 
S. 177 f. Das noch bestehende Ministerium der stadtbremischen Pfarrkirchen, das früher wenig- 
stens in geistlichen Dingen eine gemeinsame Instanz bildete, hat im 19. Jahrhundert seinen Ein- 
fluß vollends verloren (Veeck a. a. O., S. 157 f.). Die 1876 ins Leben gerufene „Bremische 
Kirchenvertretung“ ist eine private Vereinigung einiger evangelischen Gemeinden, aus der die 
der strengeren Richtung angehörenden Gemeinden später größtenteils wieder ausgetreten sind. 
Bei dem zweifellos bedeutenden Einfluß, den der Bürgermeister Joh. Smidt auf die Entwick- 
lung der kirchlichen Verhältnisse Bremens ausgeübt hat, ist interessant die scharfe Betonung der 
Selbständigkeit der Einzelgemeinden, aber auch der Aufsichtsrechte des Staates in dem von ihm redi- 
gierten Verf.-Entw. v. 1837, S. 130 f.: „Jede Kirchengemeinde mit ihrer jedesmaligen Genossenschaft 
wird als ein besonderer gesellschaftlicher Körper betrachtet, der für die zweckmäßige Unterhaltung 
seiner kirchlichen Anstalten, aber auch für die Verwaltung des Kirchengutes zu sorgen hat.“ 
4) Das Episkopatrecht selbst war nicht unbestritten: Verf.-Verh. 1818, S. 85; der Verf.-Entw. 
v. 1837 erkannte es an; die Verf. v. 1849 erwähnte es nicht. Bei der Verf.-Rev. v. 1854 wurde 
es zwar als von alters her bestehend anerkannt, aber absichtlich nicht näher definiert und durch 
die Anerkennung „der bestehenden Rechte der Gemeinden“ der Auffassung vorgebeugt, als ob 
dem Senat neue Befugnisse übertragen werden sollten (Bürg.-Verh. 1853, S. 80). Für das 
Episkopatrecht des Senats in früherer Zeit auch das Urteil des O.-Appel.-G. Lübeck bei Kierulff, 
Sammlung, Bd. II, S. 384 f. Vgl. auch Veeck a. a. O., S. 142 f.; Dhumsener, Ansichten 
von Kirchengewalt (1837); Kühtmann, Brem. Jahrbuch, Bd. 8, S. 114 f. (1876). 
5) Das Urteil des Oberappellationsgerichts bei Kierulff Bd. II. S. 384 f. (i. S. 
 
	        
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