Verfassung der freien
Hansestadt Bremen. 191
beratenden Gegenstände, entweder der
Senat es für erforderlich hält, oder von
wenigstens dreißig Vertretern schriftlich
darauf angetragen wird.
Die Ladungen zu den Versammlungen
werden schriftlich, an jeden Vertreter beson-
ders, erlassen, und zwar spätestens am
Tage vor der Versammlung.
Sollte in einzelnen Fällen die Veran-
staltung der Versammlung so schleunig ge-
schehen müssen, daß diese Frist nicht ein-
gehalten werden oder die Ladung an
außerhalb der Stadt Bremen wohnende
Vertreter nicht erfolgen könnte, so steht
dieses der Gültigkeit der von der beschluß-
fähigen Zahl der Vertreter gefaßten Be-
schlüsse nicht entgegen.
8 50. Zur Beschlußfähigkeit der Ver-
sammlung ist die Teilnahme von wenig-
stens fünfzig Mitgliedern erforderlich.
Ausnahmsweise kann indes auch in Er-
mangelung dieser Zahl eine Beschluß-
nahme gültig erfolgen, wenn die Dring-
lichkeit des Gegenstandes keinen Aufschub
gestattet und dieses bei der Ladung zu der
Versammlung ausdrücklich angezeigt wor-
den ist. Beantragt der Senat, daß wegen
Dringlichkeit des Gegenstandes diese Aus-
nahme eintrete, so ist demgemäß zu ver-
fahren.
+51. Die Versammlungen der Bürger-
schaft sind öffentlich. Der Senat ist jedoch
berechtigt, in solchen Fällen, wo es ihm
durch das Staatswohl geboten erscheint,
eine vertrauliche Sitzung zu beantragen,
und ist dann die Oeffentlichkeit der Ver-
sammlung unstatthaft. Auch wird, wenn
wenigstens zwanzig Mitglieder der Bür-
gerschaft eine vertrauliche Sitzung be-
antragen, nach Entfernung der Zuhörer,
darüber, ob die Bürgerschaft den Gegen-
stand dazu geeignet halte oder nicht, ein
Beschluß gefaßt. Im Bejahungsfalle ge-
schieht die Beratung und Beschlußnahme
über die Sache selbst in vertraulicher Sit-
zung; im entgegengesetzten Falle wird den
Antragstellern anheimgegeben, den Gegen-
stand zurückzunehmen oder zur öffentlichen
Beratung zu bringen.
Sowohl wenn der Gegenstand zurück-
genommen wird, als auch wenn die Vor-
nahme desselben in vertraulicher Sitzung
erfolgt, ist jedes Mitglied der Bürgerschaft
bis auf weiteres zur Geheimhaltung des
Gegenstandes und der darüber gepfloge-
nen Verhandlungen auf seinen Staats-
bürgereid verpflichtet.
§*52. Der Präsident eröffnet, leitet und
schließt die Beratungen.
Ihm liegt die Aufrechthaltung der
Ruhe und Ordnung sowohl in der Ver-
sammlung selbst als auch unter den Zu-
hörern ob. Wird die Ruhe durch die
Zuhörer gestört, so kann er die Entfernung
derselben veranlassen und dazu erforder-
lichen Falles die bewaffnete Macht in
Anspruch nehmen.
m 53. Jeder Vertreter, welcher zu ir-
gend einem Ausschusse gewählt ist, kann
in der Regel weder die Wahl ablehnen,
noch, so lange er Vertreter ist, seine Teil-
nahme an dem Ausschusse aufgeben, sofern
nicht die Bürgerschaft ihn dazu ermächtigt.
Die Wahl in das Bürgeramt oder in
einen sonstigen ständigen Ausschuß ist
er abzulehnen berechtigt, wenn er das
fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet hat
oder ein Richteramt bekleidet, oder bereits
zu drei ständigen Ausschüssen gehört. Auch
kann er, wenn er nach seinem Eintritt jenes
Alter erreicht oder ein Richteramt über-
nimmt, seine Entlassung aus jedem stän-
digen Ausschusse begehren.
Die Wahl in einen Ausschuß überhaupt
ist abzulehnen befugt, wer bereits sechs
Ausschüssen als Mitglied angehört.
54. Von allen Beschlüssen der Bür-
gerschaft, welche über Anträge des Senats
erfolgen, oder sonst zur Mitteilung an
denselben geeignet sind, wird eine amtliche
Ausfertigung dem Senat eingereicht.
z 55. Die näheren Vorschriften über
den Geschäftsgang bei den Verhandlungen
der Bürgerschaft und des Bürgeramts blei-
ben der Geschäftsordnung vorbehalten,
welche von der Bürgerschaft nach Maßgabe
der Verfassung und der Gesetze festgestellt
und sodann dem Senat zum Behuf der
Geltendmachung seines Einspruchrechts
gegen etwaige verfassungs= oder gesetz-
widrige Bestimmungen derselben mitge-
teilt wird.
III.
Wirksamkeit des Senats und
der Bürgerschaft.
#s 56. Der Senat und die Bürgerschaft
wirken in Ausübung der Staatsgewalt ge-
meinschaftlich, soweit nicht verfassungs-
mäßig ein anderes festgesetzt ist. Jedoch
hat der Senat die Leitung und Oberauf-
sicht in allen Staatsangelegenheiten, sowie
die vollziehende Gewalt überhaupt nach
Maßgabe der Verfassung.
57. Demzrfolge gehört zum Wir-
kungskreise des Senats, als der Regierung
des Bremischen Staats: