30 Abschnitt 1. Verfassung des Deutschen Reichs.
Vorschriften zur Auslegung des Wahlreglements.
1. Die Frage: ½m
ob die Oeffentlichkeit der Wahlhandlung nur bis präzis
6 Uhr Abends zu dauern habe, und der Wahlvorstand be-
rechtigt sei, von da ab zur Feststellung des Resultats der
Wahl das Wahllokal vom Publikum räumen zu lassen, resp.
von 6 Uhr ab die Oeffentlichkeit auszuschließen sei,
ist zu verneinen.
Die Ermittelung des Abstimmungsergebnisses in den einzelnen Wahlbezirken,
nämlich die in den 88. 17 und ff. des Wahlreglements vom 28. Mai 1870 vor.
geschriebene Eröffunung, Vorlesung, Zählung der Stimmzettel 2c. bilden einen
wesentlichen Theil der Wahlhandlung im Sinne des §. 9 des Wahlgesetzes vom
31. Mai 1869, d. h des Inbegriffes derjenigen Handlungen, auf Grund deren die in
§. 9 a. a. O. der Wahlhandlung gegenübergestellte Ermittelung des Wahler-
gebnisses in den Wahlkreisen (nach näherer Vorschrift der §§. 26 und ff. des
Reglements) zu erfolgen hat.
Es kann nicht in Betracht kommen, wenn nach dem Wortlaut des §. 9 die
Wahlhandlung um 6 Uhr geschlossen werden soll, da etwaige Zweifel über den Sinn,
in welchem dieser Ausdruck hier gebraucht ist, durch die genauere Präzisirung jener
Bestimmung in §. 17 a. a. O. ausgeschlossen sind, wonach um 6 Uhr Nachmittags
die Abstimmung für geschlossen erklärt wird.
2. Auch die zweite Frage:
ob der Termin für die engere Wahl mindestens 8 Tage vor.
her öffentlich bekannt gemacht werden müsse, wie dies bezüglich
des ersten Wahltermines (§. 8 des Reglements vom 28. Mai 1870) vor.
geschrieben ist,
ist zu verneinen. Die Vorschrift des §. 8, wonach Tag und Stunde 2c. der
Wahl mindestens 8 Tage vor dem Wahltermin zu veröffentlichen ist, findet nach der
ausdrücklichen und einem Zweifel nicht Raum gebenden Bestimmung in §. 31 Abs. 2
a. a. O. auf die rücksichtlich der engeren Wahlen erforderlichen Bekanntmachungen
keine Anwendung, und es ist die im nichtamtlichen Theile des Reichsanzeigers Nr. 11
vom 13. Januar d. J. ausgesprocheue gegentheilige Annahme unzutreffend, Res.
22. Mai 1877 (M. Bl. S. 125).
Durch Res. 17. Mai 1877 (M. Bl. S. 126) ist in Betreff der durch die
Wahlkommissare für den Deutschen Reichstag einzureichenden Wahlakten Nach.
stehendes bestimmt:
In die Wahlakten sind nicht Schriftstücke aufzunehmen, welche zu der Fest.
stellung des Wahlergebnisses in keiner Beziehung stehen. Sämmtliche Wahlakten
sind geheftet einzureichen. Aus den Verhandlungen über die Ermittelung des Wahl.
ergebnisses ist ein besonderes Heft zu bilden. Dieses Heft muß folgende Schrift.
stücke enthalten:
1. Die Legitimation des Wahlkommissars; 2. diejenigen Blätter, durch wel
die Ernennung des Wahlkommissars bekannt gemacht worden ist; 3. ein Verzeichnt
der Wahlbezirke, der Wahllokale und der Wahlvorsteher nebst deren Stellvertreter.
4. das Konzept der Einladung an die zur Ermittelung des Wahlergebnisses berufenen
Wähler; 5. die dazu gehörigen Empfangsbescheinigungen; 6. diejenigen Blätter, dur
welche der Termin und das Lokal für die Ermittelung des Wahlergebnisses zur
öffentlichen Kenntniß gebracht worden sind; 7. das Protokoll über die Ermittelung
des Wahlergebnisses, welchem die Zusammenstellung der Resultate der Wahlen in den
einzelnen Wahlbezirken beizufügen ist; 8. diejenigen Blätter, durch welche das Wahl,
resultat veröffentlicht worden ist; 9. das Konzept des Benachrichtigungsschreibens an
den Gewählten von der auf ihn gefallenen Wahl nebst Empfangsbescheinigung.
10. die Annahmeerklärung des Gewählten; 11. der Nachweis der Wählbarkeit des
Gewählten; 12. Beschwerden, welche bei dem Wahlkommissar über Unregelmäßigkeiten
bei den Wahlen etwa eingegangen sind.
Der Reichstag hat als besonders häufig wiederkehrende Verstöße
gegen das Wahlreglement vom 28. Mai 1870 vornehmlich die nachstehenden
bezeichnet und um Abhülfe ersucht: