Verfassung der freien und Hansestadt Lübeck.
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das Lübeckische Amtsblatt bekannt zu
machen und spätestens drei Tage vor
derselben jedem Vertreter ein Abdruck
der zur Verhandlung kommenden Anträge
des Senates nebst einer gedruckten Ein-
ladung zuzustellen.
Artikel 39.
Den Vorsitz in den Versammlungen
und die Leitung der Geschäfte hat der
Wortführer der Bürgerschaft. Ist derselbe
verhindert oder wünscht er bei der Verhand-
lung eines Gegenstandes an der Beratung
teilzunehmen, so tritt einer der Stellver-
treter desselben für ihn ein nach der
Reihenfolge, welche durch die Wahl be-
stimmt ist.
Artikel 40.
Die Versammlung der Bürgerschaft ist
beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte
der jeweiligen Vertreter anwesend sind.
Artikel 41.
In den Versammlungen der Bürger-
schaft sind LKLommissare des Se-
nates gegenwärtig und an der Beratung
teilzunehmen berechtigt. Die Anwesenheit
derselben ist jedoch nicht erforderlich, wenn
es sich um Wahlen oder Gegenstände han-
delt, über welche die Bürgerschaft ohne
Mitwirkung des Senates entscheiden kann.
Artikel 42.
Die Versammlungen der Bürgerschaft
sind in der Regel öffentlich; der Ausschluß
der Oeffentlichkeit tritt ein, wenn der Se-
nat oder die Bürgerschaft es begehrt.
Artikel 43.
§ 1. Jeder Abstimmung geht eine
freie Beratung über den in Antrag ge-
brachten Gegenstand voraus. Nach dem
Schlusse derselben erfolgt die Abstimmung
über bestimmte von dem Vorsitzenden zu
stellende Fragen, welche stets so zu fassen
sind, daß sie mit ja oder nein beantwortet
werden können.
s 2. Die Abstimmung geschieht durch
Aufstehen oder Sitzenbleiben, die von der
Bürgerschaft vorzunehmenden Wahlen er-
folgen durch Abgabe von Stimmzetteln.
Eine Abstimmung durch namentlichen
Aufruf findet statt, wenn dieses vor dem
Schlusse der Beratung von mindestens
zwanzig Mitgliedern der Versammlung
beantragt worden ist.
§ 3. Die Beschlüsse werden durch
Stimmenmehrheit sämtlicher an der Ab-
stimmung teilnehmenden Mitglieder der
Bürgerschaft gefaßt; auch bei Wahlen
entscheidet die Mehrheit der abgegebenen
Stimmen.
Ergibt sich Gleichheit der Stimmen, so
gilt bei einer zur Entscheidung verstellten
Frage diese für verneint, bei einer Wahl
dagegen entscheidet das Los.
#s 4. Wer Zusätze, Beschränkungen oder
sonstige Aenderungen vorschlagen will,
hat dieselben, bevor sie beraten werden,
ihrem wesentlichen Inhalte nach dem
Vorsitzenden zuzustellen oder zu Proto-
koll zu geben.
Artikel 44.
Jedes Mitglied der Bürgerschaft ist be-
rechtigt, Anregen zu Anträgen der Bür-
gerschaft an den Senat zu machen. Einer
solchen Anrege ist jedoch nur dann Folge
zu geben, wenn sie dem Vorsitzenden
schriftlich zugestellt ist und nach gestellter
Vorfrage von mindestens zehn Mitgliedern
der Versammlung unterstützt wird. In
diesem Falle steht dem Antragsteller die
nähere Begründung seines Antrages zu,
worauf über die Frage, ob der Gegenstand
zur näheren Erwägung an den Bürgeraus-
schuß zu verweisen sei oder nicht, eine Be-
ratung und Abstimmung stattfindet. Ent-
scheidet die Versammlung sich für das
Letztere, so ist damit der Antrag verworfen;
entscheidet sie sich dagegen für das Er-
stere, der Bürgerausschuß erachtet aber
demnächst den Antrag nicht für geeignet,
überhaupt oder in unveränderter Form
an den Senat gebracht zu werden, oder
der Senat lehnt den ihm vom Bürgeraus-
schuß empfohlenen Antrag ab, so hat der
Wortführer der Bürgerschaft dieser selbst
in ihrer nächsten Versammlung die Frage
zur Entscheidung vorzulegen, ob der An-
trag seitens der Bürgerschaft an den Senat
gelangen solle oder nicht.
Artikel 45.
Die Bürgerschaft ist berechtigt, vom
Senate Auskunft über Staatsangelegen-
heiten zu begehren. Die entsprechende
Verpflichtung des Senates erleidet jedoch
eine Ausnahme in betreff obschwebender
Verhandlungen in Reichs= und auswärti-
gen Angelegenheiten. Die Gegenstände,
über welche Auskunft verlangt wird, sind
dem Senate schriftlich mitzuteilen, dem
es überlassen bleibt, die verlangte Aus-
kunft schriftlich oder durch Kommissare
mündlich zu erteilen.