Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

14 Allgemeiner Charakter beider Staaten und ihrer Verfassungen. * „5 
  
wohnerzahl, nicht in der tatsächlichen Bedeutung; er liegt in der rechtlichen Unab- 
hängigkeit. Der Staat hat seine Rechte, nicht wie die Gemeinde, als ihm von einer 
höheren Gewalt übertragene, sondern aus eigener Machtfülle; er löst seine Auf- 
gaben selbständig; er hat die höchste Gewalt im Gebiet, die Staatsgewalt ½). Als 
Staaten sind auch die Hansestädte im Verhältnis zu anderen Staaten Rechtssubjekte 
des Völkerrechts. 
2. Die Hansestädte sind mit den andern Deutschen Staaten zum deutschen Reich 
vereinigt. Die Reichsverfassung zählt unter den Bundesgliedern an letzter Stelle 
die freien Städte „Lübeck, Bremen und Hamburg“ auf 2). Eine Reihe der wichtigsten 
staatlichen Rechte ist auf das Reich übergegangen; das Reich kann auf dem Wege der 
Aenderung der Reichsverfassung diese Rechte noch erweitern. Das Reich allein ist 
souverän, sofern man unter Souveränität die Fähigkeit ausschließlicher rechtlicher 
Selbstbestimmung versteht 3). 
Gegen diese Aufgabe eigener Rechte haben auch die Hansestädte ihren Anteil 
an der Souveränität des Reiches und der Ausübung der Reichsgewalt empfangen. 
Die Träger der Staatsgewalt in den Einzelstaaten sind in ihrer Gesamtheit Träger 
der Reichsgewalt, in den Hansestädten also Senat und Bürgerschaft gemeinschaftlich 
(unten §& 5 II.) 4). Die Ausübung dieser Mitgliedschaftsrechte am Reiche im Bundesrat 
aber erfolgt allein durch die Senate 5). Die Hansestädte haben je eine Stimme im 
Bundesrat (R.-Verf. Art. 6). Die Ernennung und Instruktion ihres Bevollmächtigten 
zum Bundesrat — in beiden Staaten jetzt ein Mitglied des Senats — ist allein Sache 
des Senats. Er ist dabei an Beschlüsse der Bürgerschaft nicht gebunden, wenn diese 
auch nicht gehindert ist, ihre Wünsche wegen einer Abstimmung im Bundesrat zum 
Ausdruck zu bringen. Es steht auch nichts im Wege, daß der Senat, wo es wünschens- 
wert scheint, die Ansicht der Bürgerschaft oder eines Ausschusses über eine Reichs- 
angelegenheit einholt. Auch kann die Bürgerschaft den Senat über seine Abstimmung 
im Bundesrat oder andere Reichssachen interpellieren, worauf es dem Senat aber 
freisteht, Auskunft zu verweigern 5). 
§ 5. Charakter der Verfassungen; Staatsgewalt. I. „Die Verfassung des 
Bremischen Staates ist republikanisch“ (Brem. Verf. 5 3). Die Lübecker Ver- 
als „freie und Hansestadt“ an, während Bremen an der alten Bezeichnung festhielt. Auch der 
Vertrag betr. das hanseat. Oberlandesgericht bezeichnet sich z. B. als „Uebereinkunft der drei 
freien Hansestädte“. 
— 4 Ueber den Unterschied: Jellinek, Staatslehre :, S. 643f.; Laband, StR.5, Bd. J, 
2) RVerf. Art. 1, Art. 6. Die Reihenfolge, die im umgekehrten Verhältnis zu der heutigen 
Bedeutung steht, ist aus der Deutschen Bundes-Akte übernommen. 
3) So Jellinek, Staatslehre ?, S. 481 ff.; Laband, St.““, Bd. I, S. 58. Wenn 
alle 3 Hansestädte in ihren Verfassungen sich als „selbständigen Staat“ bezeichnen, so ist damit 
die Frage nach ihrer Souveränität im Verhältnis zum Reich natürlich nicht gelöst. Vgl. v. Melle, 
Hamb. Staatsrecht, S. 20, Anm. 1. 
4) Nach Laband, StR. “, Bd. I, S. 97 sind in den freien Städten „die Bürgerschaften 
das Subjekt der Staatsgewalt und als solche Mitglieder des Reiches und die Senate die zur Aus- 
Übung dieser Rechte befugten Organe“; darüber unten S. 16. 
5) So ausdrücklich Hamb. Verf. Art. 22. In Bremen und Lübeck fehlt eine entsprechende 
Bestimmung. In Bremen folgt die Kompetenz des Senats aus Verf. § 57e und f, wonach der 
Senat die Vertretung gegen 3. und die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten hat; in Lübeck 
aus der allgemeinen Klausel des Art. 18 der Verf. 
6) So ausdrücklich Lüb. Verf. Art. 45; auch Hamb. Verf. Art. 65, 60 Z. 3. Näheres über 
das Interpellationsrecht der Bürgerschaft unten & 19, Z. 1.
	        
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