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gern in der täglichen Arbeit im Staat, in dieser Selbst-
verwaltung, auf der hier die Staatsverwaltung beruht,
liegt die Eigentümlichkeit und der Vorzug der hanse-
städtischen Selbständigkeit. Sie gibt aber dem Senat und der Bürger-
schaft eine wesentlich andere Stellung, als Regierung und Parlament in den deutschen
Monarchien sie besitzen, und läßt damit den Verfassungsgrundsatz, daß die Staats-
gewalt nicht dem Senat allein, sondern Senat und Bürgerschaft gemeinsam zustehe,
auch innerlich berechtigt erscheinen 1).
Von den Verfassungen der drei Hansestädte hat die bremische in ihrer weiteren
Ausgestaltung dem Grundsatze der Gleichberechtigung der Bürgerschaft im weitesten
Maße Raum gegeben. Vor allem hat sie die Selbstverwaltung in den Deputationen
aufs engste mit der Organisation des Staates selbst verknüpft; die Deputationen in
Bremen sind gemeinschaftliche Ausschüsse von Senat und Bürgerschaft, so daß auch
die Verwaltung ihrem gemeinsamen Wirken untersteht (Brem. Verf. § 59, unten § 25),
während in Hamburg und Lübeck die Bürgerschaft nur bei der Wahl der bürgerlichen
Deputierten einen mehr oder weniger großen Einfluß ausübt (unten §& 28). Auch
in anderen Einzelheiten, so in dem größeren Einfluß der Bürgerschaft bei den Senats-
wahlen, den Beschränkungen des Senats in der Justizverwaltung u. a. weist die
bremische Verfassung mehr demokratische Züge auf, die zum Teil wenigstens in ihrer
geschichtlichen Entwicklung aus der radikalen Verfassung von 1849 ihre Erklärung
finden (oben S. 9 f.).
Dritter Abschnitt. Die Grundlagen des Staates.
8 6. A. Das Staatsgebiet. 1. Der Bremische Staat besteht aus der
Stadt Bremen und dem „mit derselben verbundenen Gebiet“ (Brem. Verf. § 1); das
letztere wird gebildet aus den beiden Hafenstädten Vegesack und Bremerhaven und
dem Landgebiet 2). Das Staatsgebiet hat einen Flächeninhalt von 256,39 qckm. Von
den 313 433 Einwohnern des Gebietes wohnten in der Stadt Bremen 260 166
(Nov. 1912). Das Staatsgebiet bildet keine räumlich geschlossene Einheit; die
Hafenstadt Bremerhaven ist eine Enklave in der preußischen Provinz Hannover; von
dieser ist auch Vegesack auf der Landseite umgeben. Veränderungen des Gebietes
sind mehrfach — zuletzt noch 1905 — durch die Verträge mit Preußen — früher
Hannover — über den Erwerb und die Erweiterung des Distrikts von Bremer-
haven erfolgt 3).
1) In diesem Sinne erblickt auch eine Entsch, des Lüb. L G. v. 22. Dez. 1883, abgedr. Hans.
E. in Strafs. Bd. I, S. 355, Anm., in dem Grundsatz des Art. 4 der Lüb. Verf. einen Ausdruck
dafür, daß auch bei der Verwaltung die Bürgerschaft mehr Rechte habe, als die Landtage in den
deutschen Monarchien, vor allem durch ihre Beteiligung bei der Wahl der bürgerlichen Deputier-
ten. Ferner Lüders a. a. O., S. 16 f. v
2) Näheres: Buchenau, Die freie Hansestadt Bremen und ihr Gebiet, 3. Aufl. 1900;
auch unten, § 39 f. — Das Staatsgebiet von Hamburg umfaßt 414,59 qkm; die Einwohner-
schaft betrug (1. Dez. 1910) 1 014 664; davon entfielen 931 035 auf die Stadt Hamburg. Danach
hat Bremen von den 3 Städten das kleinste Gebiet, während es der Einwohnerzahl nach in der
Mitte steht. Entsprechend betrug der Bedarf des ordentlichen Budgets 1912: in Hamburg 182,3,
in Bremen 47,7, in Lübeck 16,9 Mill. Mk.
3) Den Anfang zum Erwerb des Gebietes an der Unterweser bildete der Vertrag mit Han-
nover v. 11. Jan. 1827 (oben S. 3). Die letzte wesentliche Vergrößerung erfolgte durch V.