Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

8 10 Die Rechtsstellung der Staatsbürger, Staatsangehörigen und Ausländer. 27 
  
kammer in Lübeck (§ 47 II), ferner auf dem Gebiete der staatlichen Fürsorge als 
Armenpflegerin, Waisenpflegerin, im Jugendamt, und in Bremen auch in der Schul- 
deputation. Der Besitz des Bürgerrechts ist in beiden Staaten Voraussetzung für 
das aktive und passive Wahlrecht zur Bürgerschaft und die Wahl in den Senat; ferner 
für die Mitgliedschaft der öffentlichen Berufsvertretungen (Näheres unten § 42 f.,); 
in Bremen auch für die Mitgliedschaft in den Deputationen, da hier den Deputationen 
neben Senatoren nur Mitglieder der Bürgerschaft angehören können, in den Be- 
hörden für stadtbremische Gemeindeangelegenheiten nach Brem. Verf. § 81. Da- 
gegen sind die politischen Rechte in der Kommunalverwaltung der selbständigen Ge- 
meinden im allgemeinen nicht vom Besitz des Bürgerrechts abhängig; es genügt 
bremische — lübeckische — Staatsangehörigkeit oder auch Reichsangehörigkeit (unten 
8 41f.). 
In Lübeck können „zur Mitbedienung öffentlicher Verwaltungsbehörden, 
zur Teilnahme an Geheimkommissionen und anderen gemeinschaftlichen Kommis- 
sionen des Senats und der Bürgerschaft sowie an den Vorsteherschaften der öffent- 
lichen Wohltätigkeitsanstalten“ nur Bürger gewählt werden, und zwar alle Bürger 
mit Ausnahme der gemäß Art. 21 der Verf. wegen besonderer Ausschließungsgründe 
— Konkurs usw. — vom Wahlrecht zur Bürgerschaft ausgeschlossenen ½. 
b) Während früher den Rechten der Bürger ihre Pflicht, ihr Vermögen 
und ihre Dienste der Stadt zur Verfügung zu stellen, entsprach, ist heute die Steuer- 
pflicht auf den Kreis der Bürger nicht beschränkt, und ihre politischen Rechte sind 
keineswegs allgemein auch eben solche Pflichten. Insbesondere kennen Bremen und 
Lübeck einen Zwang zur Annahme der Wahl in die Bürgerschaft oder in den Senat 
nicht mehr 2). 
Jedoch besteht in Lübeck die allgemeine Verpflichtung der Bürger zur An- 
nahme einer Wahl in eine Verwaltungsbehörde, eine Geheimkommission, eine andere 
gemeinschaftliche Kommission des Senats und der Bürgerschaft, sowie in die Vor- 
steherschaft einer öffentlichen Wohltätigkeitsanstalt, sofern sie nach dem oben Bemerk- 
ten in diese gewählt werden können 2). Gesetzliche Befreiungsgründe sind: 1. Vol- 
lendung des 65. Lebensjahres; 2. Krankheit; 3. bei Wahl in Verwaltungsbehörden 
und Vorsteherschaften der Wohltätigkeitsanstalten die gleichzeitige Mitgliedschaft 
in zwei anderen solchen Körperschaften. Ueber das Vorhandensein dieser gesetzlichen 
1) Lüb. V. die Verpflichtung zur Uebernahme und Wahrnehmung öffentl. bürgerlicher An- 
stellungen betr. v. 18. Juni 1860 (I, S. 30). Nach dem Nachtrag v. 9. Aug. 1905 (S. 121) erstreckt 
sich die Berechtigung und Verpflichtung auf alle Bürger „mit Ausnahme der gemäß Art. 21 der 
Verf. von der Ausübung des Wahlrechts zur Bürgerschaft ausgeschlossenen“; damit sollte das durch 
die Verfassungsänderung v. 1905 eingeführte Erfordernis der Steuerzahlung für das Wahlrecht 
zur Bürgerschaft hier ausgeschaltet werden. Brückner, Lüb. StR., S. 23, 48 Anm. meint, 
daß diese Aenderung praktisch ohne Erfolg geblieben sei, da nach Verf. Art. 72, Abs. 2 die Ernen- 
nungen für die Verwaltungsbehörden usw. sich doch nur auf zur Bürgerschaft wahlberechtigte Bür- 
ger beziehen könnten. Die Fassung des Art. 72, Abs. 2 nötigt aber nicht zu der Auffassung, daß damit 
der Kreis der zu jenen Stellungen berechtigten Bürgern habe abgegrenzt werden sollen; auch 
geht die nähere Bestimmung in dem Spezialgesetz vor. 
2) In Hamburg besteht die Pflicht noch heute nach Art. 9, 34, auch 83 der Verf.; die Wei- 
gerung zieht den Verlust des Bürgerrechts, sowie der öffentlichen Aemter und Ehrenstellen nach 
sich. In Lübeck wurde die Pflicht 1875 aufgehoben. Vgl. auch unten S. 36, Anm. 1, S. 54. 
3) Lüb. V. v. 18. Juni 1860 (I. S. 30). Art. 1 in der Fassung v. 9. Aug. 1905 (S. 121). 
— In Bremen gelten für die Mitglieder der Bürgerschaft, aus denen hier die bürgerlichen Mit- 
glieder der Verwaltungsbehörden zumeist bestehen, entsprechende Pflichten: unten § 18, Z. 2 a.
	        
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