30 Die Grundlagen des Staates. 8 11
Auch die Unverletzlichkeit der Wohnung ist durch die Reichsgesetze näher be-
grenzt. Landesrechtliche Ausnahmen für Bremen: Eindringen zur Erhaltung der
öffentlichen Ordnung durch Polizeibeamte bei Wassers= und Feuersgefahr und ähn-
lichen Notfällen, sowie zwecks amtlicher Ladungen und Vollstreckungen: V. die Un-
verletzlichkeit der Wohnung betr. vom 25. Juni 1849 (S. 228).
2. Reichsrechtlich geregelt ist auch die in der Verfassung §& 11 anerkannte Ge-
werbefreiheit (unten § 66), die Vereins= und Versammlungsfreiheit (Brem. Verf.
§* 16, unten § 56 V), sowie das Preßwesen (Brem. Verf. § 13; RG. über die Presse
v. 7. Mai 1874). Auf dem letzteren Gebiet ist der Landesgesetzgebung das sog.
Plakatwesen vorbehalten, über das allgemeine Bestimmungen fehlen. Für Lübeck
ist in Kraft geblieben die Bestimmung, daß von jeder im Staat gedruckten oder ver-
legten Druckschrift ein Exemplar unentgeltlich der Stadtbibliothek einzuliefern ist ½.
3. Ueber die Glaubens= und Gewissensfreiheit (Brem. Verf. § 12) unten §& 71 I.
4. Ueber die Gewährleistung des Petitions= und Beschwerderechtes und die
Zulässigkeit des Rechtsweges (Brem. Verf. § 14, 15), unten § 52, 53 I.
5. Der in vielen Verfassungen (z. B. preuß. Verf. Art. 4) wiederkehrende Grund-
satz der Gleichheit aller Staatsangehörigen vor dem Gesetze
(Brem. Verf. & 17, auch § 18) soll eine rechtliche Benachteiligung oder Bevor-
zugung Einzelner verhüten. Er besagt nicht, daß das Gesetz allen Staatsange-
hörigen gleiche Rechte und gleiche Pflichten zuteilen müsse, z. B. gleiches Wahl-
recht, gleiche Steuerleistung, nur soll das Gesetz, wo die Voraussetzungen seiner
Anwendung gegeben sind, auf jeden, ohne Ansehen der Person, Anwendung
finden: „vor dem Gesetz“ sind alle gleich 2).
Eigentümlichkeit der Brem. Verf. ist der Zusatz: „Der Staat erkennt bei seinen
Angehörigen keinen Adel an“, woran sich die weitere Bestimmung schließt, daß „Titel,
Aemter, Würden und Auszeichnungen“, die einem Bremer von einem anderen Staat
erteilt sind, nur anerkannt werden nach ausdrücklicher Genehmigung der Annahme
durch den Senat, und daß sie auch dann keinerlei Befreiungen oder Vorzüge be-
gründen (Brem. Verf. § 17 Abs. 2 und 3). Die Bestimmung betr. Nichtaner-
kennung des Adels geht zurück auf einen Rat= und Bürgerschluß vom 29. Aug.
1806; sie war damals in der Zeit des Zusammenbruches des alten Reiches vorwiegend
als eine Maßregel der äußeren Politik gedacht 3). Da heute Vorrechte des Adels
nicht mehr in Betracht kommen, erschöpft sich die praktische Bedeutung darin, daß
im Sprachgebrauch der Behörden gegenüber bremischen Staatsangehörigen das
Adelsprädikat „von“ usw. fortgelassen wird; vor allem geschieht dies auch bei standes-
amtlichen Eintragungen, eine Praxis von zweifelhafter Berechtigung ). Jeden-
1) 95 des Lüb. Ges. v. 22. Sept. 1869 und Bek. v. 3. Juni 1874 (S. I, S. 155).
2) Jellinek, System der subj. öffentl. Rechte, S. 135. «
3) Sie sollte verhindern, daß auswärtige Staaten durch Verleihung von Auszeichnungen
Zwietracht säten und sich eine Partei bildeten. O. Gildemeister in Joh. Smidt, Ein Ge-
denkbuch, S. 14 f. Ein ähnlicher Vorschlag auch für Lübeck in dem Propositionsdekret des Senats
v. 28. Sept. 1816; Lüb. Verf.-Verh. 1817, S. 55.
4) Die V. v. 1806 bestimmte ausdrücklich: „Dann sollen auch in allen von Staats wegen
veranstalteten Druck= und anderen Schriften den hiesigen Bürgern oder Angehörigen nie einige
Prädikate, die sich auf Adel, fremde Titel, Würden, Aemter und Bedienungen beziehen, gegeben
werden.“ Aus der Fassung des 8 17 Abs. 2 der Verf. läßt sich eine Notwendigkeit, das Adelsprä-