Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

g 11 · „Grundrechte“. 31 
falls ist durch die Bestimmung kein Staatsangehöriger gehindert, sich im Privat- 
verkehr, wie auch Behörden gegenüber des ihm zukommenden Adels zu bedienen; 
ein Verbot der Annahme oder Führung des Adels enthält die Bestimmung nicht. 
6. Die Unverletzlichkeit des Eigentums und sonstiger 
Privatrechte und die Bestimmung, daß ihre Abtretung oder Beschränkung 
zum allgemeinen Besten nur gegen gerechte Entschädigung verlangt werden könne 
(Brem. Verf. § 19), entspricht einem allgemeinen Grundsatz des Rechtsstaates; er 
gilt daher auch mangels ausdrücklicher Anerkennung für Lübeck 1). Soweit Grund- 
eigentum in Frage kommt, hat er seine nähere Ausgestaltung im Enteignungsrecht. 
erhalten (unten § 69). 
Voraussetzung des Entschädigungsanspruches ist, daß durch einen rechtmäßigen 
Eingriff der Staatsgewalt — um einen solchen handelt es sich hier; über die Haftung. 
des Staates für unrechtmäßige Handlungen seiner Organe unten §& 35 IV — ein 
„wohlerworbenes“ Recht betroffen wird; es muß dem Einzelnen ein besonderes 
Opfer auferlegt sein. Der Fall ist nicht gegeben, wenn ein Verbot, das jeden trifft, 
bestehende Verhältnisse ändert, aus denen der Einzelne Vorteile gezogen hat 2). 
Die Verletzung des Privatrechtes kann durch Maßregeln der Verwaltungsorgane 
oder unmittelbar durch Gesetz erfolgen. Nimmt ein Gesetz solchen Eingriff vor, so- 
ist zu prüfen, ob es einen Entschädigungsanspruch zulassen will oder — ausdrücklich 
oder stillschweigend — ihn ablehnt oder begrenzt 3). Solche Bestimmung des Gesetzes 
ist auch in Bremen trotz der entgegenstehenden Verfassungsbestimmung maßgebend; 
der Richter kann die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze nicht nachprüfen; der § 19 
der Brem. Verf. enthält nur eine Direktive für den Gesetzgeber, nicht eine Norm für 
den Richter (darüber unten § 51 Z. 1). 
dikat insbesondere in standesamtlichen Urkunden fortzulassen, kaum entnehmen. Eine „Anerkennung. 
des Adels" braucht in der Beifügung nicht zu liegen. Nach der herrschenden Auffassung ist das. 
Adelsprädikat nicht nur Standesbezeichnung, sondern auch Bestandteil des Namens (RG. in Jur. 
Woch. 1904, S. 53; 1905, S. 166). Wie soll es gehalten werden, wenn der Betreffende auch eine 
andere, etwa die preußische Staatsangehörigkeit besitzt? Nach der Entsch., des Kammergerichts 
in HG Z. 1908, Nr. 124 könnte er wenigstens den Zusatz fordern, daß er „als preußischer Staats- 
angehöriger von . heiße“. Ein Antrag des Senats auf Streichung der Bestimmung wurde von 
der Bürgerschaft bei der letzten Revision der Verf. abgelehnt (Verh. 1892, S. 271; 1893, S. 311). 
1) Die Entschädigungspflicht des Staates wird teils auf das gemeine Recht gegründet: so- 
RG. Bd. 12, S. 3; Bd. 49, S. 252; HG. 1910, Nr. 5; teils auf einen Grundsatz des deutschen 
Staatsrechts: RG. Bd. 16, S. 161. Näheres Fleiner, Institutionen des deut. Verw.-R. 
*& 17. Vgl. speziell für Lübeck: H GZ. 1883, Nr. 74 II; Wunderlich, Jurisprudenz des Lüb. 
O. App.G. Bd. I, S. 438. 
2) O. Mayer, Deut. Verw.-R. I, § 53, 54; Fleiner, a. a. O. F. 17. In der Recht- 
sprechung ist die Entschädigung daher versagt: bei Einführung des Schlachthofzwanges HG#z. 
1884, Nr. 62 und 147 (Br. Sache); 1897, Nr. 51 (Hamb. Sache); Verbot der Schweinemästereien R. 
Bd. 61, S. 10 (Hamb. Sache); bei Einführung der Spülklosetts HGZ. 1904, Nr. 29 (Brem. Sache); 
bei Verkehrsbeschränkungen in einer Straße HGZ. 1910, Nr. 5 (Hamb. Sache); bei Veränderung 
der Lage einer Straße Seuff. Arch. Bd. 44, S. 306, Bd. 45, S. 168 (Brem. Sache), RG. Bd. 51, 
S. 255 (Lüb. Sache; jetzt aber Lüb. Ges. betr. die Gewährung von Entschädigung bei Aende- 
rungen der Höhenlage der Straßen v. 7. Mai 1913); unten 8 68 IIa, E. 
3) Das Urteil des G. R. Bd. 12, S. 3 nahm noch an, daß nur bei ausdrücklicher Ausschließung 
durch das Gesetz ein Entschädigungsanspruch nicht bestehe. Neuerdings neigt die Rechtsprechung 
dahin, daß bei Eingriffen des Gesetzes Entschädigung nur verlangt werden kann, wenn das Gesetz 
es bestimme; RG. 64, S. 185; auch Fleiner a. a. O., S. 241. Der Wechsel der sozialen An- 
schauungen spricht sich darin aus. Die Eingriffe des Staates werden immer häufiger; die Ver- 
Zutune daß das Gesetz sie ohne Entschädigung mache, entspricht immer mehr der herrschenden. 
uffassung.
	        
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