Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

36 Die Organisation des Staates. 8 12 
  
im ersten Wahlabschnitt durch das Los gebildet werden, wodurch auch gegen den 
Willen der Mehrheit der Bürgerschaft ein Kandidat auf den Wahlaufsatz gelangen 
und schließlich gewählt werden kann. In Lübeck vollzieht die Bürgerschaft in ihrer 
Gesamtheit die Wahl der Wahlbürger; andererseits ist hier der Senat stärker beteiligt, 
indem er auch bei der Aufstellung der Kandidaten und bei der definitiven Wahl mit- 
wirkt; auch hier gibt bei der Entscheidung durch Obmänner das Los letzten Endes 
den Ausschlag. 
Eine Verpflichtung zur Annahme der Wahl in den Senat besteht in Bremen 
und Lübeck — anders als in Hamburg — nicht mehr 7). 
III. Die Amtsdauer der Senatsmitglieder. Die Wahl der 
Senatoren erfolgt auf Lebenszeit — eine Bestimmung, die für die Stellung des 
einzelnen Senatsmitgliedes wie für die des gesamten Senats von grundlegender 
Bedeutung ist. Außer durch den Tod erreicht die Mitgliedschaft im Senat ihr Ende 
durch den Austritt eines Senators. Der freiwillige Austritt kann jederzeit erfolgen 2); 
über den Anspruch auf Ruhegehalt in solchem Falle unten § 13 II. 
Ein unfreiwilliges Ausscheiden aus dem Senat — auch dabei 
vermeiden die Gesetze es, von einer Entlassung oder Absetzung zu sprechen, es soll 
ein „Austritt“ bleiben, wenn auch ein erzwungener — hat zu erfolgen: 
1. wenn nachträglich ein Verhältnis eintritt, das der Wählbarkeit entgegen- 
gestanden hätte, also z. B. Konkurseröffnung, Stellung unter Vormundschaft usw. 
In Bremen verpflichtet jedoch nachträglicher Eintritt eines Verwandtschafts= oder 
Schwägerschaftsverhältnisses nicht zum Austritt; in Lübeck muß ein Senatsmitglied 
austreten, das die Mutter oder Tochter eines anderen Senators heiratet oder als 
offener Handelsgesellschafter in das Geschäft eines solchen eintritt 3); 
2. wenn die Voraussetzungen der Versetzung in den Ruhestand — Dienstun- 
fähigkeit infolge geistiger oder körperlicher Schwäche — gegeben sind und das Mit- 
glied sucht nicht darum nach. In solchem Falle erfolgt in Bremen die Versetzung in 
den Ruhestand auf Antrag des Senats durch Beschluß von Senat und Bürgerschaft 4), 
in Lübeck durch Beschluß des Senats allein, gegen den der Betroffene sich an das 
Hans. Oberlandesgericht „zur compromissarischen Entscheidung“ wenden kann #); 
3. wenn ein Mitglied sich beharrlich weigert, seine Pflichten zu erfüllen oder 
diese gröblich verletzt; darüber unten § 13 IV. 
– 13. Rechtliche Stellung der Senatsmitglieder. I. Allgemeines. 
Die rechtliche Stellung der Senatsmitglieder ist eine besondere und findet nicht 
ohne weiteres eine Analogie in einer der üblichen Typen. Der einzelne Senator 
1) In Bremen wurde die frühere Verpflichtung zur Annahme, auf deren Nichterfüllung 
Verlust des Bürgerrechts und Verweisung aus Stadt und Gebiet stand, 1849 aufgehoben; in Lübeck 
bei der Verf.-Rev. v. 1875. Oben S. 27, Anm. 2. « 
2) Brem. Verf. 8 24, Abs. 2; Lüb. Verf. Art. 9. In Hamburg gestattet die Verf. Art. 10, 
Abs. 2 den Austritt nach sechsjähriger Amtsdauer. 
3) Brem. Verf. 5 25 und Senatsgesetz § 19. Lüb. Verf. Art. 11 und Ges. das Austreten aus 
dem Senat betr. v. 7. April 1875, & 1, 2 (S. I, S. 218). — In Hamburg verpflichtet nachträgliche 
Verschwägerung ebenfalls nicht zum Austritt. . 
4) Br. Senatsgesetz § 23. Aehnlich auch in Hamburg Ges. über die Wahl und Organisation 
des Senates v. 28. Sept. 1860, § 7. # 
5) Lüb. G. die Versetzung der Mitglieder des Senats in den Ruhestand betr. v. 7. April 1875 
(I, S. 218), §& 3.
	        
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