36 Die Organisation des Staates. 8 12
im ersten Wahlabschnitt durch das Los gebildet werden, wodurch auch gegen den
Willen der Mehrheit der Bürgerschaft ein Kandidat auf den Wahlaufsatz gelangen
und schließlich gewählt werden kann. In Lübeck vollzieht die Bürgerschaft in ihrer
Gesamtheit die Wahl der Wahlbürger; andererseits ist hier der Senat stärker beteiligt,
indem er auch bei der Aufstellung der Kandidaten und bei der definitiven Wahl mit-
wirkt; auch hier gibt bei der Entscheidung durch Obmänner das Los letzten Endes
den Ausschlag.
Eine Verpflichtung zur Annahme der Wahl in den Senat besteht in Bremen
und Lübeck — anders als in Hamburg — nicht mehr 7).
III. Die Amtsdauer der Senatsmitglieder. Die Wahl der
Senatoren erfolgt auf Lebenszeit — eine Bestimmung, die für die Stellung des
einzelnen Senatsmitgliedes wie für die des gesamten Senats von grundlegender
Bedeutung ist. Außer durch den Tod erreicht die Mitgliedschaft im Senat ihr Ende
durch den Austritt eines Senators. Der freiwillige Austritt kann jederzeit erfolgen 2);
über den Anspruch auf Ruhegehalt in solchem Falle unten § 13 II.
Ein unfreiwilliges Ausscheiden aus dem Senat — auch dabei
vermeiden die Gesetze es, von einer Entlassung oder Absetzung zu sprechen, es soll
ein „Austritt“ bleiben, wenn auch ein erzwungener — hat zu erfolgen:
1. wenn nachträglich ein Verhältnis eintritt, das der Wählbarkeit entgegen-
gestanden hätte, also z. B. Konkurseröffnung, Stellung unter Vormundschaft usw.
In Bremen verpflichtet jedoch nachträglicher Eintritt eines Verwandtschafts= oder
Schwägerschaftsverhältnisses nicht zum Austritt; in Lübeck muß ein Senatsmitglied
austreten, das die Mutter oder Tochter eines anderen Senators heiratet oder als
offener Handelsgesellschafter in das Geschäft eines solchen eintritt 3);
2. wenn die Voraussetzungen der Versetzung in den Ruhestand — Dienstun-
fähigkeit infolge geistiger oder körperlicher Schwäche — gegeben sind und das Mit-
glied sucht nicht darum nach. In solchem Falle erfolgt in Bremen die Versetzung in
den Ruhestand auf Antrag des Senats durch Beschluß von Senat und Bürgerschaft 4),
in Lübeck durch Beschluß des Senats allein, gegen den der Betroffene sich an das
Hans. Oberlandesgericht „zur compromissarischen Entscheidung“ wenden kann #);
3. wenn ein Mitglied sich beharrlich weigert, seine Pflichten zu erfüllen oder
diese gröblich verletzt; darüber unten § 13 IV.
– 13. Rechtliche Stellung der Senatsmitglieder. I. Allgemeines.
Die rechtliche Stellung der Senatsmitglieder ist eine besondere und findet nicht
ohne weiteres eine Analogie in einer der üblichen Typen. Der einzelne Senator
1) In Bremen wurde die frühere Verpflichtung zur Annahme, auf deren Nichterfüllung
Verlust des Bürgerrechts und Verweisung aus Stadt und Gebiet stand, 1849 aufgehoben; in Lübeck
bei der Verf.-Rev. v. 1875. Oben S. 27, Anm. 2. «
2) Brem. Verf. 8 24, Abs. 2; Lüb. Verf. Art. 9. In Hamburg gestattet die Verf. Art. 10,
Abs. 2 den Austritt nach sechsjähriger Amtsdauer.
3) Brem. Verf. 5 25 und Senatsgesetz § 19. Lüb. Verf. Art. 11 und Ges. das Austreten aus
dem Senat betr. v. 7. April 1875, & 1, 2 (S. I, S. 218). — In Hamburg verpflichtet nachträgliche
Verschwägerung ebenfalls nicht zum Austritt. .
4) Br. Senatsgesetz § 23. Aehnlich auch in Hamburg Ges. über die Wahl und Organisation
des Senates v. 28. Sept. 1860, § 7. #
5) Lüb. G. die Versetzung der Mitglieder des Senats in den Ruhestand betr. v. 7. April 1875
(I, S. 218), §& 3.