44 Die Organisation des Staates. 8 16
Die Brem. Verf. (8 66) fügt jenem obersten Grundsatz von der gemeinsamen
Ausübung der Staatsgewalt durch Senat und Bürgerschaft hinzu: „Jedoch hat der
Senat die Leitung und Oberaufsicht in allen Staatsangelegenheiten, sowie die voll-
ziehende Gewalt überhaupt nach Maßgabe der Verfassung.“ Mit der „vollziehen-
den Gewalt“ ist dem Senat nicht im Sinne der Lehre von der Teilung der Ge-
walten die gesamte Verwaltung allein übertragen; dem widerspricht der Grundsatz
des präsumtiven Mitwirkens der Bürgerschaft in allen Angelegenheiten und die Tat-
sache, daß ein großer Teil der Verwaltung nicht vom Senat allein gehandhabt wird.
Der Ausdruck bezeichnet hier dem Wortsinne nach nur die im Ausführen, Vollziehen
bestehende Staatstätigkeit ). Deer Senat ist das leitende und han-
delnde Organ des Staates. Als solchem liegt ihm die Regierung
ob, die über allem stehende Staatssorge (Brem. Verf. §& 57 a, b) und Initiative,
„das einheitliche Richtunggeben für die politischen Geschicke des Staates und die
Kulturentwicklung im Innern“ 2). Im einzelnen ergeben sich daraus folgende Auf-
gaben des Senats:
1. Der Senat hat die Vertretung des Staates nach außen
und im Inner n. Die Vertretung nach außen ist die völkerrechtliche im Ver-
kehr mit andern Staaten; er leitet die auswärtigen Angelegenheiten; ferner vertritt
er den Staat im Bundesrat des Deutschen Reiches (Brem. Verf. 5 57e, f; unten
§ 55). Weiter vertritt er den Staat im Innern — staatsrechtlich — so bei Aufnahme
in den Staatsverband, bei Abnahme der dem Staat zu leistenden Eide, bei Ernen-
nung und Entlassung der Beamten (Brem. Verf. 5 578, h, n). Die Vertretung
kann auch eine privatrechtliche sein in fiskalischen Beziehungen, in Prozessen des
Staates, doch wird der Staat hier in der Regel durch die besondere Behörde eines
Verwaltungszweiges vertreten (unten § 27 1).
2. Bei der Gesetzgebung erläßt der Senat den Gesetzesbefehl; die
Bürgerschaft beschließt mit dem Senat, dieser verordnet und verkündet das Gesetz;
er erläßt die Ausführungsverordnungen. (Brem. Verf. § 571; Lüb. Verf. Art. 50 III;
unten §8 49, 50.)
3. In der inneren Verwaltung liegen dem Senat allein die obrig-
keitlichen Funktionen böb, in denen der Staat als Herrscher mit Zwangs-
und Befehlsgewalt auftritt. Dahin gehört:
a) der Senat verwaltet die Polizei; er erläßt Polizeiverordnungen (Brem. Verf.
§ 57m; unten §§ 50, 560);
b) der Senat übt die Disziplinarbefugnis gegenüber den Beamten; er ist ihr
Vorgesetzter, sie haben seinen Anordnungen zu gehorchen (Brem. Verf. § 57 n; unten
§ 35 D;
Jc) der Senat handhabt die Aufsichtsgewalt des Staates gegenüber den Kom-
munalverbänden (Brem. Verf. § 57 d; unten §& 41 fj.
1) Diese Bedeutung hatten offenbar auch nur die Gesetzgeber v. 1848 im Auge, wenn sie dem
Seet trotz seiner beschränkten Stellung die vollziehende Gewalt zugestanden: Brem. Verf. v. 1849,
120.
2) So O. Mayer, Verw.-Recht, Bd. I, S. 4. Jellinek, Allgem. Staatslehre 3, S. 616 f.,
definiert Regierung als die freie Tätigkeit in der Verwaltung. Die Brem. Verf. 8 57 bezeichnet den
Senat als die egerung: darüber, daß sie ihm damit nicht die Stellung eines Landesherren
gibt: oben S. 19, Anm