Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

44 Die Organisation des Staates. 8 16 
Die Brem. Verf. (8 66) fügt jenem obersten Grundsatz von der gemeinsamen 
Ausübung der Staatsgewalt durch Senat und Bürgerschaft hinzu: „Jedoch hat der 
Senat die Leitung und Oberaufsicht in allen Staatsangelegenheiten, sowie die voll- 
ziehende Gewalt überhaupt nach Maßgabe der Verfassung.“ Mit der „vollziehen- 
den Gewalt“ ist dem Senat nicht im Sinne der Lehre von der Teilung der Ge- 
walten die gesamte Verwaltung allein übertragen; dem widerspricht der Grundsatz 
des präsumtiven Mitwirkens der Bürgerschaft in allen Angelegenheiten und die Tat- 
sache, daß ein großer Teil der Verwaltung nicht vom Senat allein gehandhabt wird. 
Der Ausdruck bezeichnet hier dem Wortsinne nach nur die im Ausführen, Vollziehen 
bestehende Staatstätigkeit ). Deer Senat ist das leitende und han- 
delnde Organ des Staates. Als solchem liegt ihm die Regierung 
ob, die über allem stehende Staatssorge (Brem. Verf. §& 57 a, b) und Initiative, 
„das einheitliche Richtunggeben für die politischen Geschicke des Staates und die 
Kulturentwicklung im Innern“ 2). Im einzelnen ergeben sich daraus folgende Auf- 
gaben des Senats: 
1. Der Senat hat die Vertretung des Staates nach außen 
und im Inner n. Die Vertretung nach außen ist die völkerrechtliche im Ver- 
kehr mit andern Staaten; er leitet die auswärtigen Angelegenheiten; ferner vertritt 
er den Staat im Bundesrat des Deutschen Reiches (Brem. Verf. 5 57e, f; unten 
§ 55). Weiter vertritt er den Staat im Innern — staatsrechtlich — so bei Aufnahme 
in den Staatsverband, bei Abnahme der dem Staat zu leistenden Eide, bei Ernen- 
nung und Entlassung der Beamten (Brem. Verf. 5 578, h, n). Die Vertretung 
kann auch eine privatrechtliche sein in fiskalischen Beziehungen, in Prozessen des 
Staates, doch wird der Staat hier in der Regel durch die besondere Behörde eines 
Verwaltungszweiges vertreten (unten § 27 1). 
2. Bei der Gesetzgebung erläßt der Senat den Gesetzesbefehl; die 
Bürgerschaft beschließt mit dem Senat, dieser verordnet und verkündet das Gesetz; 
er erläßt die Ausführungsverordnungen. (Brem. Verf. § 571; Lüb. Verf. Art. 50 III; 
unten §8 49, 50.) 
3. In der inneren Verwaltung liegen dem Senat allein die obrig- 
keitlichen Funktionen böb, in denen der Staat als Herrscher mit Zwangs- 
und Befehlsgewalt auftritt. Dahin gehört: 
a) der Senat verwaltet die Polizei; er erläßt Polizeiverordnungen (Brem. Verf. 
§ 57m; unten §§ 50, 560); 
b) der Senat übt die Disziplinarbefugnis gegenüber den Beamten; er ist ihr 
Vorgesetzter, sie haben seinen Anordnungen zu gehorchen (Brem. Verf. § 57 n; unten 
§ 35 D; 
Jc) der Senat handhabt die Aufsichtsgewalt des Staates gegenüber den Kom- 
munalverbänden (Brem. Verf. § 57 d; unten §& 41 fj. 
1) Diese Bedeutung hatten offenbar auch nur die Gesetzgeber v. 1848 im Auge, wenn sie dem 
Seet trotz seiner beschränkten Stellung die vollziehende Gewalt zugestanden: Brem. Verf. v. 1849, 
120. 
2) So O. Mayer, Verw.-Recht, Bd. I, S. 4. Jellinek, Allgem. Staatslehre 3, S. 616 f., 
definiert Regierung als die freie Tätigkeit in der Verwaltung. Die Brem. Verf. 8 57 bezeichnet den 
Senat als die egerung: darüber, daß sie ihm damit nicht die Stellung eines Landesherren 
gibt: oben S. 19, Anm
	        
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