Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

48 Die Organisation des Staates. l 17 
rechts zu erleichtern, da die Zahl der Bürger im Gegensatz zur Zunahme der Be- 
völkerung im Abnehmen begriffen war 1). Demgemäß wurde durch Gesetz vom 
15. Dezember 1902 der Erwerb des Bürgerrechts ohne Abgabenentrichtung freigegeben, 
gleichzeitig aber, um die Stetigkeit der Entwicklung zu sichern, ein Wahlzensus ein- 
geführt: nur die Bürger sollten wahlberechtigt sein, die in den letzten 5 Jahren in 
Lübeck ein Einkommen von mehr als 1200 Mk. jährlich versteuert hatten. Die Er- 
kenntnis, daß dieser Zensus erbitternd wirkte, indem er einen Teil der Bürger vom 
Wahlrecht ausschloß, daß er andererseits aber auch dem Zweck, ein Ueberhandnehmen 
der Vertreter der minderbemittelten Schichten in der Bürgerschaft zu verhindern, 
nicht genügte, führte schon 1904 zur Inangriffnahme einer abermaligen Revision 2). 
Durch Gesetz vom 9. August 1905 wurde der Zensus für die Wahlberechtigung im 
allgemeinen aufgehoben und die Wähler nach der Steuerleistung in zwei Klassen 
eingeteilt; gleichzeitig wurde der Erwerb des Bürgerrechts und der Wahlberechtigung 
durch die Erfordernisse mehrjährigen Wohnsitzes mit Steuerzahlung im Staat er- 
schwert (S. 25). Zwecks näherer Abgrenzung der Steuerklassen und zur Beseitigung 
einiger Zweifel wurden die Bestimmungen in Einzelheiten 1907 nochmals geändert 
und dann in die Redaktion der Verfassung vom 2. Oktober 1907 aufgenommen. 
II. Mitgliederzahl. In Bremen besteht die Bürgerschaft aus 
150 Mitgliedern 3), die auf 6 Jahre gewählt werden. Die Erneuerung ist eine halb- 
schichtige "); alle 3 Jahre geht die Hälfte ab; an ihre Stelle werden 75 Vertreter 
neu gewählt. Eine außerordentliche Ergänzungswahl findet statt, wenn ein Ge- 
wählter infolge Ablehnung des Mandats oder aus andern Gründen nicht eintritt 
oder vor Ablauf der Zeit ausscheidet; der an seine Stelle Gewählte tritt auch hinsicht- 
lich der Mandatsdauer an seine Stelle (Brem. Verf. § 38, 40; G. die Bürg. betr. § 6). 
In Lübeck zählt die Bürgerschaft 120 Mitglieder 3), die ebenfalls auf 6 Jahre 
gewählt werden. Alle 2 Jahre —am ersten Montag im Dezember — scheidet ein Drittel 
aus 4). Wird für ein ausscheidendes Mitglied ein Ersatzmann gewählt, so gilt für 
ihn auch dessen Mandatsdauer (Lüb. Verf. Art. 19, 27) 5). 
III. Wahlberechtigung und Wählbarkeit. 1. Nach der bre- 
mischen Verfassung § 39 Abs. 2 ist grundsätzlich jeder Bürger wahlberechtigt; doch 
stellt das Gesetz außer dem Besitz des Bürgerrechts noch einige allgemeine 
Voraussetzungen der Wahlberechtigung auf (G. die Bürg. betr. § 1 in der 
Fassung v. 26. Febr. 1904, S. 74): 
1) Bericht der gem. Kommission: Verh. 1902 D. n. 24. Oben S. 25, Anm. 4. 
2) Senatsantrag in Verh. 1904, S. 97. 
3) In Hamburg besteht die Bürgerschaft aus 160 Mitgliedern, von denen alle 3 Jahre die 
Hälfte ausscheidet (Hamb. Verf. Art. 28, 38). Die im Verhältnis zu andern Parlamenten so große 
Mitgliederzahl der Bürgerschaft in den 3 Städten erklärt sich geschichtlich aus der Anknüpfung an 
die alten Konvente mit ihrer großen Zahl persönlich stimmberechtigter Bürger; in Bremen findet 
sie eine Berechtigung darin, daß nur Mitglieder der Bürgerschaft in die Deputationen gewählt 
werden können. 
4) Die in allen 3 Hansestädten vorgesehene Partialerneuerung der Bürgerschaft sichert die 
Kontinuität des Kollegiums besonders mit Rücksicht auf ihre Beteiligung an der Verwaltung. 
üd e ẽ s, die Partialerneuerung der Volksvertretung im deutschen Landesstaatsrecht, Annalen 
1909, S. 544 f. 
5) Die Ersatzwahlen werden hier nicht jedesmal bei Fortfall eines Mitgliedes, sondern nur 
dann vorgenommen, wenn die Zahl der Vertreter auf 108 gesunken ist und nicht innerhalb der näch- 
sten 6 Monate die regelmäßigen Ergänzungswahlen bevorstehen (Art. 27 Abs. 3).
	        
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