52 Die Organisation des Staates. 817
b) der zu wählende Bertreter braucht nicht zu der Wahlabteilung zu gehören
oder in der Gemeinde oder dem Bezirke zu wohnen, zu welchem die Wähler gehören;
die Wähler der 4. Klasse können also einen Gelehrten wählen usw. (das. § 8).
2. In Lübeck — Berf. Art. 22—24 — werden nach der Steuerleistung und
dem Wohnsitze zunächst 4 Abteilungen der Wähler unterschieden ?##:
Die Abteilung I umfaßt alle in der Stadt Lübeck und ihren Vorstädten 2)
wohnenden Wähler, welche in den letzten 3 Steuerjahren vor der Wahl mindestens
soviel an Einkommensteuer bezahlt haben, als von ihnen für ein Einkommen von
2100 Mk. während jener Jahre insgesamt zu entrichten war 2), sowie die dort woh-
nenden Ehrenbürger. Sie wählen 90 Vertreter.
Zur Abteilung II gehören alle übrigen dort wohnenden Bürger. Sie
wählen 12 Vertreter.
Die Abteilung III umfaßt alle in dem restlichen Staatsgebiet — Trave-
münde und dem Landgebiet vor der Eingemeindung 2) — wohnenden Bürger, die
einen Landbesitz von mindestens 3 ha für eigene Rechnung bewirtschaften oder für
die letzten 3 Jahre vor der Wahl eine Steuerleistung aufzuweisen haben, wie sie für
die Wähler in Abteilung 1 vorgeschrieben ist, ferner die dort wohnenden Ehrenbürger.
Sie wählen 15 Vertreter.
In der Abteilung IV wählen die übrigen, in dem vorbezeichneten Gebiet
wohnenden Bürger. Sie wählen 3 Vertreter.
Es entfallen darnach auf die in den Abteilungen 1 und III zusammengefaßten
höheren Steuerzahler 105, auf die minderbemittelten Wähler in den Abteilungen III
und IV 15 Vertreter 0.
Die Abteilungen sind wieder in Wahlbe zirke eingeteilt; jeder Bezirk wählt
eine gesetzlich bestimmte Zahl von Vertretern. Für die Abteilungen 1 und II sind
4 Bezirke gebildet; für die Abteilung III 6 Bezirke, von denen für die Wahlen in
der Abteilung IV je zwei zu einem Bezirk vereinigt sind 5). Jeder Wähler kann nur
1) Ueber die Einführung dieser Klasseneinteilung oben S. 48
2) Das Stadtgebiet ist dabei in dem alten Umfange vor der im April 1913 vollzogenen Ein-
gemeindung verstanden (Ges. v. 13. Nov. 1912 (S. 514) 3 16). Ueber den Begriff der Vorstädte
unten S. 107, Anm. 2.
3) Damit soll eine Erleichterung gewährt werden; es ist nicht erforderlich, daß in jedem Jahr
ein Einkommen von 2100 Mk. versteuert ist, es genügt, daß im Durchschnitt der 3 Jahre ein ent-
sprechender Betrag gezahlt wurde. Steuerbeträge, von deren Zahlung der Pflichtige aus gesetz-
lichen Gründen befreit war, gelten auch hier als gezahlt (Verf. Art. 20 a. E., 20, Abs. 2).
4) Ueber die ähnlichen Bestimmungen des Hamb. Wahlges. v. 1906 für die allgemeinen Wahlen
in der Stadt oben S. 47, Anm. 3. Vermöge der scharfen Klasseneinteilung ist ein Ueberwiegen
des Einflusses der Minderbemittelten in der Lüb. Bürgerschaft allerdings sehr erschwert; andrer-
seits werden in den Abteilungen II und IV die bürgerlichen Parteien sich schwer Geltung verschaffen
können. Bei den Verhandlungen veranlaßte dies eingehende Erörterungen; doch wurden die
Vorschläge zur Abhilfe — Proportionalwahlrecht, Teilnahme der begüterten Wähler auch bei den
Wahlen der II. und IV. Abt. — abgelehnt. Ber. der Kommission des B.-Aussch. Verh. 1904, N. IX
und der Bürgerschaft das. N. XVII.
5) Lüb. Verf. Art. 23; danach stehen folgende Wahlbezirke: *
A. Für die Abt. I und II: 1. Jakobi-Quartier und Vorstadt St. Gertrud mit in
Abt. 1 22, in Abt. II 3 Vertretern; 2. Marien-Magdalenen-Quartier und der nordöstl. Teil der
Vorstadt St. Lorenz mit in Abt. 1 23, in Abt. II 3 Vertretern; 3. Marien-Quartier und der südwestl.
Teil von St. Lorenz mit in Abt. 1 23, in Abt. II 3 Vertretern; 4. Johannis-Quartier und Vorstadt
St. Jürgen mit in Abt. 1 22, in Abt. II 3 Vertretern. #
B. Für die Abt. III: 5. Städtchen Travemünde 2 Vertreter; 6. Travemünder Landbezirk
2 Vertreter; 7. Burgtor-Landbezirk 3 Vertreter; 8. Holstentor-Landbezirk 2 Vertreter; 9. Mühlen-
tor-Landbezirk 3 Vertreter; 10. Ritzerauer Landbezirk 3 Vertreter.