Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

62 Die Organisation des Staates. 8 21 
  
Verfassungen: die Oberalten in Hamburg, die Elterleute der bürgerlichen Kollegien 
bzw. der Kaufmannschaft in Lübeck und in Bremen 2). Die rechtliche Stellung 
und politische Bedeutung des Bürgerausschusses — Bürgeramtes — geht über die 
anderer Ausschüsse der Bürgerschaft weit hinaus. Er ist selbständiges 
Staatsorgan, auch der Bürgerschaft gegenüber unabhängig; seine Bildung 
und seine Aufgaben sind in der Verfassung festgelegt. Im einzelnen ist seine Be- 
deutung freilich in den 3 Hansestädten eine sehr verschiedene. In Bremen ist das 
Bürgeramt auf die formellen Befugnisse der Geschäftsleitung der Bürgerschaft und 
die Vermittlung ihrer Kommunikation mit dem Senat beschränkt. In Hamburg 
und Lübeck tritt er auch nach außen als Staatsorgan in Erscheinung, indem er an 
Stelle der Bürgerschaft Angelegenheiten von geringerer Bedeutung gemeinsam mit 
dem Senat erledigt. In Lübeck hat er weiter die Funktionen einer vorberatenden 
Instanz für alle Vorlagen des Senats an die Bürgerschaft. 
II. Das Bürgeramt in Bremen. 
1. Zusammensetzung. Das Bürgeramt besteht aus dem Geschäfts- 
vorstand der Bürgerschaft loben § 20 Z. 1) und 18 weiteren Mitgliedern, die für die 
Dauer ihrer Teilnahme an der Bürgerschaft von dieser aus ihrer Mitte gewählt wer- 
den. Diese Wahl geschieht nicht von der Bürgerschaft im ganzen, sondern von den 
Vertretern nach Wahlklassen gesondert (oben § 19 Z. 10), so daß auch im Bürgeramt 
die Klassen ihre Vertretung finden 2). 
2. Zuständigkeit. a) Die Verfassung legt die der Bürgerschaft über- 
tragene custodia legum ac jurium, die Sorge für Aufrechterhaltung 
der Verfassung und Gesetze, dem Bürgeramt noch einmal besonders 
auf. Daraus folgt aber nicht seine Befugnis, sich mit Beschwerden direkt an den 
Senat zu wenden; es hat nur, falls es Mängel wahrnimmt, „der Bürgerschaft des- 
halb zu berichten“)). 
b) Das Bürgeramt besorgt die Kommunikation mit dem Senat; 
es nimmt die Mitteilungen des Senats für die Bürgerschaft entgegen und läßt die 
Mitteilungen der letzteren an den Senat gelangen; es macht dem Senat Anzeige 
von den Sitzungen. Auf diese formellen Befugnisse beschränkt sich nach der Ver- 
fassung seine Vermittlerstellung, doch wird nichts im Wege stehen, daß der Senat 
die Ansicht des Bürgeramts über eine der Bürgerschaft zu machende Vorlage einholt 
1) Ueber die Elterleute in Bremen: oben S. 5; in Lübeck oben S. 6 und Bruns, Lüb. 
Verf.-Gesch., S. 7 f. Eine Rechtsnachfolge zwischen diesen ständischen Kollegien und den heutigen 
Organen besteht allerdings nicht. Die Verfassungsentwicklung erfolgte z. T. gegen das Widerstreben 
der Elterleute, die sich als Hindernis einer zeitgemäßen Entwicklung erwiesen. Daraus erklärt 
sich, daß man in Bremen bei den Verf.-Verh. dem Bürgeramt materielle Befugnisse nicht einräumte. 
Auch ¾l rels, Ueber den Hamb. Bürgerausschuß (10. Beiheft z. Jahrb. der Hamb. Wiss. Anstal- 
ten), S. 4. 
2) Brem. Verf. F 46; Ges. die Bürg. betr. § 17; dort Näheres über die Wahl und die Pflicht 
zur Annahme (oben & 18, Z. 2 a). Nach der Gesch. O. § 5 bleiben die M. des Bürgeramtes, wenn. 
sie bei Ablauf ihrer Mandatsdauer wiedergewählt werden, bis zur Wahl ihrer Nachfolger in Funktion. 
Damit wird das Bürgeramt auch bei Ablauf der Wahlperioden funktionsfähig erhalten. Für Ham- 
burg dazu: Perels a. a. O., S. 8. Z ç Z 
3) Brem. Verf. 5 47 a. Unter der alten Verf. war die Befugnis des coll. seniorum, sich mit 
Beschwerden an den Senat zu wenden, streitig (Verf.-Verh. 1818, S. 124 f.; 1821, S, 24 f, 89), 
Die Hamb. Verf. Art. 60, Z. 3 und 5 gibt dem Bürgerausschuß ein Interpellations-- und Beschwerde- 
recht beim Senat; über Lübeck unten III, Z. 2.
	        
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