Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

§ 27 Allgemeines; Organisation der Verwaltung. 75 
  
Im allgemeinen liegt in beiden Staaten die Verwaltung der auswärtigen An- 
gelegenheiten, der Polizei und die der Justiz — diese in Bremen jedoch nur zum 
Teil (§ 29) — dem Senat allein ob, während an den anderen Verwaltungen Bürger 
teilnehmen. 
Dementsprechend gliedern sich die Behörden in zwei Arten: 1. rein sena- 
torische, nur aus Senatsmitgliedern — einzelnen Senatskommissaren oder 
Senatskommissionen — bestehende — oben § 15 — und 2. gemischte,, d. h. aus 
Senatoren und Bürgern zusammengesetzte Behörden — Deputationent). 
An der Spitze eines jeden Verwaltungszweiges steht nach altüberkommenem Grund- 
satz entweder eine Senatskommission (Senatskommissar) oder eine Deputation, 
und da auch in den letzteren stets ein Senatsmitglied den Vorsitz führt, so hat jede 
Behörde ihre Spitze in einem solchen. Die eigentlichen Verwaltungsbeamten sind 
diesen Behörden unterstellt; nur vereinzelt sind in neuerer Zeit Behörden gebildet, 
denen Beamte im Sinne des Beamtengesetzes vorstehen 2). 
Bei dieser Art der Organisation überwiegt die kollegiale Verfassung der 
Behörden bei weitem; nur einzelne Verwaltungen, vor allem die Polizei, werden 
von einem Senator — bureaukratisch — verwaltet. Eine Folge des Systems ist ferner 
das Fehlen der Fachmänner in den leitenden Stellungen und vor allem die weit- 
gehende Dezentralisation der Verwaltung 2). Eine Zusammenfassung in 
wenige große Verwaltungsgebiete fehlt; an der Spitze der einzelnen Verwaltungs- 
zweige stehen neben einigen Senatskommissionen eine große Zahl von Deputationen — 
in Bremen nach dem Deputationsgesetz zurzeit 53 — unvermittelt nebeneinander. 
Die Einheit in dieser Vielheit bildet das — in Bremen auch nur formelle — Ober- 
aufsichtsrecht des Senats und die Verbindung durch persönliche Beziehungen durch 
die mehreren Verwaltungen zugleich angehörenden Senatsmitglieder und bürger- 
lichen Deputierten. Mit den Vorzügen des Systems — der weitgehenden Beteiligung 
der Bürger an der Verwaltung und den daraus für diese und das Staatsleben im 
allgemeinen erwachsenden Vorteilen — hängen seine Nachteile — die Umständlich- 
keit und Schwerfälligkeit des Verfahrens, die damit verbundene Vergeudung 
von Kräften, das Fehlen der leitenden Fachbeamten, der Mangel an Einheit bei 
dem Nebeneinanderarbeiten der vielen Behörden — eng zusammen; die große Auf- 
gabe, die Vorzüge des Alten zu bewahren, ohne doch bei den wachsenden Anforde- 
rungen der Gegenwart die Nachteile überwiegen zu lassen, steht seit langem in allen 
3 Hansestädten im Vordergrunde des Interesses"). 
1) Von dieser Einteilung der Behörden geht auch das Hamb. Ges. über die Organisation 
d. Verwaltung v. 2. Nov. 1896, §& 3, 23, 24 aus. 
2) Besonders auf den reichsgesetzlichen Gebieten; z. B. die Zolldirektion in Bremen; das 
mit einem Senatssekretär als Vorsitzendem und 2 bürgerlichen Deputierten besetzte Erbschafts- 
steueramt in Lübeck; vgl. auch Brückner, Lüb. StR., S. 61. 
3) Ueber die „Dezentralisation durch Selbstverwaltung“ im allgemeinen Jellinek, Staats- 
lehres, S. 637 f. 
4) Im wesentlichen die gleichen Beschwerden kehren in allen 3 Städten immer wieder: so 
z. B. für Hamburg schon der Ausschußbericht Baumeisters v. 1872 bei Seelig, Hamb. 
Bürgerschaft, S. 161; für Bremen eingehende Kritik mit Reformvorschlägen in Verh. 1877, S. 357; 
1878, S. 370; auch Sievers, Brem. StR., S. 77; für Lübeck zu der jetzt erörterten Verwaltungs- 
reform, zahlreiche Artikel in den Lüb. Blättern 1912 und 1913.— Einen Reformversuch machte das 
Hamb. Rev.-Ges. über die Organisation der Verwaltung v. 1896, indem es die Deputationen 
auf die Kontrolle und die Entscheidung wichtiger Fragen beschränkte und die laufende Verwaltung
	        
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