Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

80 Die Organisation des Staates. g 29 
  
auch die Aufsicht über die Gerichte, die sich freilich auf den Inhalt ihrer rechtsprechen- 
den Tätigkeit nicht erstreckt 1). 
1. In Bremen ist die Justizverwaltung eigenartig organisiert, eine Folge 
der geschichtlichen Entwicklung. Als die Verfassung von 1849 dem Senat die richter- 
lichen Funktionen nahm, gab sie dem für diese Aufgaben eingesetzten Richterkollegium 
entsprechend seiner Herkunft aus dem Senatskollegium in Bildung und Unabhängig- 
keit eine dem Senat ähnliche Stellung: Die Mitglieder wurden wie die Senatoren 
von Senat und Bürgerschaft gewählt, und nicht zu einem bestimmten Amt, sondern zu 
Mitgliedern des Kollegiums, das die Geschäfte selbst verteilte und den Präsidenten 
sowie die Direktoren aus seiner Mitte wählte 2). Die Verfassungsgesetzgebung von 
1854 beließ dem Richterkollegium diese Stellung. Die Reichsjustizgesetzgebung von 
1879 machte eine Aenderung der Organisation erforderlich; nach längeren Verhand- 
lungen (Brem. Verh. 1879 S. 167 f.) kam ein Kompromiß durch Bildung einer aus 
Senatoren und Richtern zu gleichen Teilen bestehenden Justizverwaltungskom- 
mission zustande. 
Die Justizverwal tungskommission (Brem. As. v. 17. Mai 
1879 § 1—13, S. 107) besteht aus 6 Mitgliedern und 4 Stellvertretern, die je zur 
Hälfte von Senat und Richterkollegium aus ihrer Mitte gewählt werden 2). Ihr 
liegen ob (G. 8 5): 
a) die Wahl der von Bremen zu wählenden Mitglieder des Oberlandesgerichts; 
b) die Entscheidung, ob eine vakante Richterstelle durch Versetzung zu besetzen 
ist, und die Wahl des zu versetzenden Richters; die Beschlußfassung über einen von 
Mitgliedern verschiedener Gerichte beantragten Stellenwechsel; die unfreiwillige 
Versetzung der Richter bei einer Veränderung der Organisation; die Anordnung der 
Vertretung eines Richters durch einen anderen ständigen Richter, falls solche nicht 
freiwillig erfolgt, und Beiordnung eines Hilfsrichters ): 
Jc) die Bestellung des Untersuchungsrichters, der die Dienstaufsicht führenden 
Amtsrichter, Feststellung der allgemeinen Geschäftsverteilung unter die Mitglieder 
der Amtsgerichte auf ihren gutachtlichen Vorschlag, Wahl des Vorsitzenden des Ge- 
werbe= und Kaufmannsgerichts in der Stadt Bremen und ihrer Vertreter 5); 
d) Wahl der Gerichtsschreiber, der anderen den Gerichten beigegebenen Staats- 
beamten und der Gerichtsvollzieher; Feststellung der Dienstanweisungen für diese 
Beamten; 
e) die im G. F 43, 57, 86 vorgesehenen Anordnungen betr. Schöffen und 
Geschworene. In einigen anderen Sachen ist ihre berichtende und begutachtende 
Mitwirkung vorgesehen (AG. § 5n—q). 
1) Wegen verzögerter oder verweigerter Rechtspflege findet Beschwerde gemäß den Bestim- 
mungen der Zivilprozeßordnung statt: Brem. AG. zur Z3 PO. v. 18. Juli 1899, § 2; Lüb. AG. 
z. G G. v. 3. Febr. 1879, 8 47. 
2) Brem. Verf. v. 21. März 1849 Art. 76; Ges. die richterlichen Behörden betr. v. 21. März 
1849 (S. 102). Bis 1879 gehörten jedoch nur die Mitglieder der stadtbremischen Gerichte dem Rich- 
terkollegium an; die Rechtsprechung in den Hafenstädten wurde durch die vom Senat ernannten 
Amtmänner ausgeübt. 
3) Ueber Ausscheiden und Wiederwahl der richterlichen Mitglieder § 3 in der Fassung des Ges. 
v. 7. Nov. 1899 (S. 193). 
4) Brem. AG. §5 5h in der Fassung v. 3. Mai 1885 (S. 53). 
5) Brem. Ges. v. 31. Dez. 1901, § 2; v. 15. Jan. 1907, + 2.
	        
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