Erster Abschnitt. Geschichtliche Einleitung.
8 1. Aeußere Entwicklung. Die Geschichte der Hansestädte verzeichnet ihre Entwicklung
von fürstlichen und geistlichen Stadtgründungen zu freien Reichsstädten des alten Deutschen Rei-
ches und weiter zu selbständigen Staaten und Gliedern des neuen Deutschen Reiches.
Von den 3 Städten gelangte am frühesten Lübeck zur Unabhängigkeit und zu hoher Blüte 1).
In der Nähe einer alten wendischen Niederlassung i. J. 1143 vom Grafen Adolf II. von Holstein
als fürstliche Stadt gegründet, gab ihr Herzog Heinrich der Löwe, an den jener sie abtreten mußte,
1163 die Grundlage einer eigenen Organisation unter einer Ratsverfassung; er verlieh ihr Markt-
rechte und Privilegien, die nach dem Sturze des Welfen von Kaiser Friedrich I. bestätigt wurden
(1188). Nach einer kurzen Periode dänischer Herrschaft erlangte die Stadt 1224 die Anerkennung
ihrer Reichsfreiheit durch Kaiser Friedrich II. ). Fortan stand Lübeck in Unabhängigkeit unter
der Oberhoheit des Kaisers. Durch die Entwicklung seines Handels und die Verbreitung seines
Stadtrechtes erlangte es schon im 13. Jahrhundert eine hervorragende Stellung unter den deut-
schen Städten. Das Lübische Recht — von Hamburg und zahlreichen Ostseestädten übernom-
men — enthielt neben Bestimmungen des Privatrechts die Grundzüge der städtischen Verfas-
sung, so daß auch die Ratsverfassung Lübecks für andere Städte vorbildlich wurde. Im Jahre
1241 schlossen Lübeck und Hamburg einen Vertrag zum Schutze ihres Handels, die Grundlage
des Hansabundes. Als Hauptstadt dieses Bundes nahm Lübeck im 13.—15. Jahrhundert eine
Machtstellung von gewaltiger Bedeutung im deutschen Norden ein, die erst durch den 30jährigen
Krieg erschüttert wurde.
Während Lübeck so, früh und ohne große Anstrengungen, die Reichsunmittelbarkeit erlangt
hatte, erreichten Hamburg?) und vollends Bremen dieses Ziel erst nach jahrhundertelangen
Kämpfen. Brement), ums Jahr 780 von Karl dem Großen auf Veranlassung des angel-
sächsischen Missionars Willehad zum Bischofssitz bestimmt, gelangte zunächst als kirchlicher Mittel-
punkt zu Ansehen. Für die sich am Bischofssitz bildende Stadt verlieh Otto der Große 965 dem
Erzbischof ein Marktprivileg, das als Geburtsurkunde der Stadt angesehen wird. Obgleich es
den Bürgern schon im 12. und 13. Jahrhundert gelang, durch kaiserliche Privilegien und Verträge
mit den Erzbischöfen eine weitgehende innere Selbständigkeit zu erlangen, blieb die äußere Ab-
hängigkeit von den Erzbischöfen noch Jahrhunderte hindurch bestehen. Nach der Reformation
wurde das Erzbistum säkularisiert und mit den Besitzungen des Erzbischofs in der Stadt im West-
fälischen Frieden Schweden übertragen. Kaiser Ferdinand III. hatte zwar 1646 die Reichs-
unmittelbarkeit der Stadt anerkannt s). Doch nahm Schweden als Rechtsnachfolger des Erz-
bischofs weiter landesherrliche Rechte in Anspruch. Erst nach langen Kämpfen und diploma-
tischen Verhandlungen mit Schweden und später mit dem 1715 in den Besitz der Herzogtümer
Bremen und Verden gekommenen Hannover erreichte die Stadt im Stader Vergleich von 1741
endgültig die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit und Landeshoheit über ihr Gebiet.
b eheschichte der freien und Hansestadt Lübeck von Dr. Max Hoffmann, 2 Bde, 1889
und 1892.
2) S. die bei Hoffmann im Anhang abgedruckten Urkunden von 1188 und 1226.
3) Hamburg erlangte im Augsburger Abschied von 1510 die Anerkennung der Reichsunmit-
telbarkeit, die freilich von Dänemark als Nachfolger der Grafen von Holstein erst im Gottorper
Vergleich von 1718 anerkannt wurde.
4) W. v. Bippen, Geschichte der Stadt Bremen; 3 BDde, 1892—1904.
5) Die Anerkennung erfolgte auf Grund der, wie jetzt erwiesen, zweifellos irrtümlichen,
vom Rat vertretenen Annahme, „daß die Statt Bremen von uralten Zeiten hero des heil. Rö-
mischen Reichs ohnmittelbare freie Reichsstatt gewesen". (v. Bippen, II, S. 382 ff., 397.)
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Bollmann, Bremen und Lübeck.