112 Sechstes Kapitel. Einzelne Verwaltungszweige.
849. Das Armenwesen.
I. Die Armenpflege, im Mittelalter ein Gebiet der
Kirche, ist allmählich auf den Staat übergegangen.
Nach der Reformation begann in Bremen der Rat, jetzt
auch die Obrigkeit in kirchlichen Dingen, sich durch
Mitleitung kirchlicher Wohlfahrtseinrichtungen und
Erlaß von Armenordnungen an der Armenpflege zu
beteiligen, deren Ausübung Sache der kirchlichen
Gemeindeorgane blieb. Im Jahre 1779 wurde ein ein-
heitliches Armeninstitut für die Stadt Bremen, verwaltet
von den Diakonen der Stadtkirchen, unter Leitung
einiger Ratsherren geschaffen. Die Mittel wurden
durch Beiträge nach einem System der Selbstbesteuerung
aufgebracht. Die Unterstützungspflicht beschränkte
sich auf die Heimatsberechtigten. Nachdem die Reichs-
gesetzgebung die Unterstützungspflicht Anfang der
siebziger Jahre auf eine andere Basis gestellt hatte,
erwies sich jene Organisation als unzureichend. Im
Jahre 1875 trat die stadtbremische Armenpflege an die
Stelle des Armeninstitutes. An Stelle der Beiträge
wurde eine Armensteuer eingeführt.
I. Die Unterstützungspflicht ist reichs-
gesetzlich geregelt (R.G. über Unterstützungswohnsitz,
jetzt Fassung v. 30. Mai 1%8. Danach ist jedem
Deutschen bei Hilfsbedürftigkeit in jedem Bundesstaat
gleich einem Inländer Unterstützung zu gewähren.
Die Unterstützungspflicht liegt dem Ortsarmenverband
des Unterstützungswohnsitzes ob; dieser wird
durch einjährigen — (bis zum G. v. 1908 zweijährigen) —
Aufenthalt an einem Orte’nach vollendetem 16. Lebens-
jahr, durch Abstammung und von einer Frau durch
Heirat erworben. Die Unterstützung solcher Inländer,
welche keinen Unterstützungswohnsitz besitzen, fällt
den Landarmenverbänden zu. Eine vorläufige Unter-
stützungspflicht trifft den Ortsarmenverband, in dem