88 Zweites Buch.
in den Köpfen, daß es schließlich als eine bewiesene Wahrheit
angenommen wird.
Man versteht den Einfluß der Wiederholung auf die Massen
wohl, wenn man sieht, welche Macht sie über die auf-:
geklärtesten Geister hat. Diese Macht kommt daher, weil das
Wiederholte sich schließlich in den tiefen Regionen des Un-
bewußten einlagert, wo die Motive unserer Handlungen ihr
Spiel treiben. Nach einiger Zeit wissen wir nicht mehr, wer
der Urheber der wiederholten Behauptung ist, und schließlich
glauben wir daran. Daher die erstaunliche Kraft des Inserats.
Haben wir hundert-, tausendmal gelesen, die beste Schokolade
sei die Schokolade X., so bilden wir uns ein, wir hätten dies
von vielen Seiten gehört und sind dessen schließlich gewiß.
Haben wir tausendmal gelesen, das Y-Pulver habe die bedeu-
tendsten Persönlichkeiten von den hartnäckigsten Krankheiten
greheilt, so fühlen wir uns endlich, wenn wir selbst an einem
derartigen Übel erkranken, versucht, es zu probieren. Lesen
wir täglich in derselben Zeitung, A sei ein ausgemachter
Schuft und B ein Ehrenmann, so glauben wir es schließlich,
wenigstens, wenn wir nicht ein Blatt anderer Richtung lesen,
wo die Qualifikationen entgegengesetzt sind. Die Behauptung
und die Wiederholung allein sind mächtig genug, um einander
bekämpfen zu können.
Bei genügender Wiederholung einer Behauptung und Ein-
mütigkeit der Wiederholung, wie das ja bei gewissen bekannten
finanziellen Unternehmungen der Fall war, die reich genug
waren, alle Mitbewerbung zu kaufen, bildet sich das, was man
eine geistige Strömung nennt, und der mächtige Mechanis-
mus der Übertragung tritt ins Spiel. Bei den Massen haben
die Ideen, Gefühle, Affekte, Glaubenssätze eine so starke An-
steckungskraft wie die der Mikroben. Es ist das ein durchaus
natürliches Phänomen, welches man schon bei den in Massen
vereinigten Tieren bemerkt. Das Zucken eines Pferdes im
Stalle wird bald von den anderen Pferden desselben Stalles
nachgeahmt. Eine Panik, die wirre Bewegung einiger Schafe