118 Drittes Buch.
Geist und ebenso das Rechtsgefühl der Massen. Angesichts
der beträchtlichen Anzahl der Angeklagten wird zunächst ent-
schieden, die Adeligen, Priester, Offiziere, Diener des Königs,
d. h. alle jene, deren Beruf schon in den Augen eines guten
Patrioten als Schuldbeweis erscheint, sollen haufienweise ge-
tötet werden, ohne daB es eines besonderen Urteils bedarf.
Die übrigen werden nach Aussehen und Ansehen verurteilt
werden. Nach Befriedigung ihres rudimentären Gewissens kann
die Masse in legaler Weise an die Abschlachtung gehen und
jenen Grausamekeitsinstinkten freien Lauf lassen, deren Ursprung
ich früher zeigte und den die Gesamtheiten stets in hohem Maße
zu entialten vermögen. Sie verhindern übrigens nicht — es
ist dies die Regel bei den Massen — die gleichzeitige Offen-
barung gegensätzlicher Gefühle, so z. B. die Empfindsamkeit,
die oft ebenso groß ist wie ihre Grausamkeit.
„Sie haben das ausgedehnte Mitgefühl und die leichte Er-
regbarkeit des Pariser Handwerkets. In der ‚Abtei‘ vernahm
ein Föderierter, daß man die Häftlinge seit 26 Stunden ohne
Wasser gelassen, er wollte durchaus den nachlässigen Pförtner
töten und hätte dies ohne die Fürbitte der Gefangenen auch
‘getan. Ist (von ihrem improvisierten Gerichtshof) ein Gefan-
gener freigesprochen worden, so wird er von Wächtern und
Henkern, von jedermann umarmt und stürmisch begrüßt.‘“ Dann
geht es an die Massenabschlachtung der übrigen. Während
des Blutbades herrscht beständig eine heitere Stimmung. Man
tanzt und singt um die Leichen, stellt den „Damen“, die glück-
lich sind, daB sie einen Aristokraten töten sehen, Bänke zur
Verfügung. Auch geben sie weitere Proben einer besonderen
Courtoisie zu erkennen. Als ein Henker in der „Abtei‘‘ sich
beklagt, die etwas weiter sitzenden Damen sähen schlecht,
und nur einige der Anwesenden hätten das Vergnügen, auf die
Aristokraten einzuhauen, geben sie die Berechtigung dieser
Bemerkung zu und bestimmen, man werde die Opfer langsam
zwischen zwei Reihen von Würgern passieren lassen, die zur
Verlängerung des Strafgerichts nur mit. dem Säbelrücken hauen