126 Drittes Buch.
bestrafen als das arme Mädchen, das, von seinem Verführer
verlassen und dem Elend preisgegeben, zum Kindesmord ver-
leitet wird, während die Jury instinktiv sehr wohl fühlt, das
verführte Mädchen sei viel weniger schuldig als der Verführer,
der doch dem Gesetz entschlüpft, und verdiene alle ihre Nach-
sicht.
Indem ich die Psychologie der Kasten ebenso wie die
der anderen Massen sehr wohl kenne, sehe ich keinen Fall,
wo ich, wäre ich eines Verbrechens angeklagt, nicht lieber
es mit Geschworenen als mit Richtern zu tun hätte. Bei den
ersteren hätte ich große Aussicht auf Freisprechung, bei den
letzteren nur sehr geringe. Fürchten wir die Macht der Massen,
aber noch mehr die Macht gewisser Kasten! Die ersteren
lassen sich vielleicht überwinden, die letzteren wanken niemals.
4. Kapitel.
Die Wählermassen.
Die Wählermassen, d.h. die zur Wahl irgend welcher Amts-
inhaber berufenen Gesamtheiten, bilden heterogene Massen; da
sie aber nur in einer ganz bestimmten Hinsicht ihre Wirksam-
keit entfalten, nämlich betreffs der Wahl zwischen mehreren
Kandidaten, so lassen sich bei ihnen nur einige der vorbe-
schriebenen Merkmale beobachten. Besonders bekunden sie
die geringe Urteilsfähigkeit, den Mangel kritischen Geistes,
die Erregbarkeit, Leichtgläubigkeit und Einfalt der Massen.
In ihren Entscheidungen findet sich auch der Einfluß der Führer
und die Rolle der bereits angeführten Faktoren: die Behaup-
tung, die Wiederholung, das Prestige und die Ansteckung.
Sehen wir nun zu, wie sie zu gewinnen sind. Aus den
am besten dazu geeigneten Verfahrungsweisen wird deren
Psychologie klar erhellen.
Die erste Bedingung, die der Kandidat zu erfüllen hat, ist,
daß er ein Prestige besitzt. Das persönliche Prestige ist nur
durch das des Reichtums zu ersetzen. Das Talent und sogar
das Genie ist kein Element des Erfolgs.