Full text: Psychologie der Massen.

Klassifikation und Einteilung der Massen. 133 
fels und des Hexensabbats zu bestreiten? Gegenüber den 
Überzeugungen der Massen gibt es ebensowenig eine Diskus- 
sion wie gegenüber einem Zyklon. Das Dogma des allgemeinen 
Stimmrechts hat heute die Macht, die einst die Ideen des 
Christentums besaßen. Redner und Schriftsteller sprechen dar- 
über mit einer Achtung und Schmeichelei, die ein Ludwig XIV. 
nicht erfahren hat. Hinsichtlich seiner muß man sich ebenso 
wie hinsichtlich aller religiösen Dogmen verhalten. Die Zeit 
allein wirkt auf sie. 
Es wäre übrigens um so nutzloser, dieses Dogma erschüt- 
tern zu wollen, als es sichtliche Gründe für sich hat. „In 
Zeiten der Gleichheit,‘‘ bemerkt Tocqueville treffend, „haben 
die Menschen wegen ihrer Ähnlichkeit kein Zutrauen zuein- 
ander; dieselbe Ähnlichkeit aber läßt sie dem Urteil der All- 
gemeinheit fast unbeschränkt vertrauen. Denn es gilt ihnen als 
unwahrscheinlich, daß, da alle die gleiche Einsicht besitzen, die 
Wahrheit nicht auf der Seite der größten Anzahl zu finden 
sein soll.“‘ 
Darf man nun annehmen, die Abstimmungen der Massen 
würden durch die Beschränkung des Wahlrechts, wenn man 
will auf die Fähigen, eine Besserung erfahren? Ich kann daran 
nicht einen Augenblick glauben, und zwar aus den Gründen, 
die in der geistigen Inferiorität aller wie immer zusammen- 
gesetzten Gesamtheiten liegen. In der Masse gleichen sich die 
Menschen stets einander an, und die Abstimmung von 40 Aka- 
demikern über allgemeine Fragen ist nicht besser als jene von 
40 Wasserträgern. Ich bin ganz und gar überzeugt, daß keine 
der dem allgemeinen Wahlrecht so vorgehaltenen Abstimmun- 
gen, wie etwa die Erneuerung des Kaisertums, anders ausge- 
fallen sein würde, wären die Abstimmenden ausschließlich aus 
dem Kreise der Gelehrten und Literaten genommen worden. 
Nicht durch die Kenntnis des Griechischen oder der Mathematik, 
nicht weil er Architekt, Tierarzt, Arzt oder Advokat ist, erwirbt 
jemand besondere Einsichten betreffs der sozialen Fragen. Alle 
unsere Nationalökonomen sind gelehrte Leute, meist Profes-
	        
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