Full text: Psychologie der Massen.

142 Drittes Buch. . 
heit erlangt. Es bedarf aber dieser Bedingungen, um die Wider- 
stände zu übersehen und um wollen zu können. Instinktiv 
erkennen die Massen in diesen kraftvollen Überzeugten den von 
ihnen allezeit benötigten Gebieter. 
Der Erfolg einer Rede in einer Parlamentsversammlung 
hängt fast ausschließlich vom Prestige des Redners, ganz und 
gar nicht aber von den Gründen, die er vorbringt, ab. Beweis 
dafür der Verlust seines Einflusses, d. h. der Macht der be- 
liebigen Stimmenleitung, zugleich mit dem Verlust des Prestige 
des Redners. 
Ein unbekannter Redner, dessen Rede gute Argumente, 
aber auch nicht mehr enthält, hat keinerlei Aussicht, auch nur 
angehört zu werden. Ein alter Abgeordneter, Herr Deseube, 
hat das Bild des prestigelosen Deputierten wie folgt entworfen: 
„Sobald er die Rednerbühne bestiegen hat, entnimmt er 
seiner Aktentasche einen Aktenstoß, den er planmäßig vor 
sich ausbreitet, und dann beginnt er voll Zuversicht.‘ 
„Er glaubt, er werde die Überzeugung, von der er be- 
seelt wird, in die Seele der Hörer verpflanzen. Er hat seine 
Argumente erwogen und wieder erwogen, ist von Ziffern und 
Beweisen erfüllt, ist sicher, recht zu haben. Vor der Evidenz 
seiner Darlegungen wird aller Widerstand schwinden. Er be- 
ginnt, auf sein gutes Recht und auf die Aufmerksamkeit seiner 
Kollegen vertrauend, die ja gewiß sich nur vor der Wahrheit 
beugen wollen.‘ 
„Er spricht — und sogleich verwundert ihn die Bewegung 
im Saale, er ist durch den entstandenen Lärm etwas erregt.‘ 
„Warum wird es nicht ruhig? Weshalb diese allgemeine 
Unaufmerksamkeit? Woran denken denn diejenigen, die mit- 
einander sprechen? Welches dringende Motiv veranlaßt jenen 
anderen, seinen Platz zu verlassen ?‘ 
„Unruhe befällt ihn; er runzelt die Stirn, hält ein. Durch 
den Vorsitzenden ermutigt, fährt er mit erhobener Stimme 
fort. Dieselbe Unachtsamkeit. Er spricht lauter, agitiert — 
der Lärm um ihn steigert sich nur. Er versteht sich selbst
	        
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