146 Drittes Buch.
Die erste Gefahr ist die notwendige Folge der kurzsich-
tigen Ansprüche der Wählermassen. Wenn ein Parlamentsmit-
glied eine Maßnahme in Vorschlag bringt, die demokratischen
Ideen sichtlich entspricht, wie eine allgemeine Ärbeiterpension,
die Erhöhung des Gehaltes der Bahnwärter, Lehrer usw., so
werden die anderen, durch die Furcht vor den Wählern sug-
gestionierten Abgeordneten sich nicht den Anschein geben wol-
len, als ob sie die Interessen jener durch Ablehnung der pro-
ponierten Maßnahme mißachteten, obwohl sie wissen, daß sie
das Budget stark beschweren und die Auflegung neuer Steuern
herbeiführen wird. Sie können nicht zaudern, dafür zu stim-
men. Während die Folgen der Ausgabenvermehrung in der
Ferne liegen und für siekeine unangenehmen Wirkungen haben,
könnten die Folgen einer negativen Abstimmung schon an dem
nächsten Tage, wo sie sich dem Wähler vorstellen müssen,
klar ersichtlich werden.
Außer dieser ersten Ursache der Überspannung der Aus-
gaben besteht noch eine andere, nicht weniger gebieterische:
die Verpflichtung, alle Ausgaben von rein lokalem Interesse
zu bewilligen. Ein Abgeordneter kann sich ihnen nicht wider-
setzen, weil sie ebenfalls Forderungen der Wähler darstellen
und weil jeder Abgeordnete das für seinen Wahlbezirk Be-
nötigte nur dann erlangen kann, wenn er den entsprechenden
Forderungen seiner Kollegen willfahrt?).
1) Die Zeitschrift ,„L’Economiste‘“ gab in ihrer Nummer vom
6. April 1895 eine interessante Überschau über die Jahreskosten dieser
Ausgaben von reinem Wählerinteresse, besonders der für Eisenbahnen.
Zur Verbindung von Langayes (Stadt mit 3000 Einwohnern), das aui
einem Berge liegt, mit Puy, Bewilligung einer Bahn, die 15 Millionen
kosten wird. Zur Verbindung von Beaumont (3500 Einwohner) mit
Castel-Sarrazin 7 Millionen. Zur Verbindung von Oust (523 Ein-
wohner) mit dem Dorfe Seix (1200 Einwohner) 7 Millionen. Ver-
bindung von Prades mit dem Marktfilecken Olette (747 Einwohner)
6 Millionen usw. Für das Jahr 1895 allein sind 90 Millionen Eisen-
bahnschienen, für die kein allgemeines Interesse besteht, bewilligt wor-
den. Ebenso bedeutend sind die anderen Ausgaben, die ebenfalls