Vorwort.
Meine frühere Arbeit!) war der Schilderung der Rassen-
seele gewidmet. Nunmehr wollen wir die Massenseele stu-
dieren. |
Der Inbegrfff der gemeinsamen Merkmale, welche allen
Mitgliedern einer Rasse durch Vererbung zuteil wurden, macht
die Seele dieser Rasse aus. Es zeigt sich aber, daß, wenn eine
gewisse Anzahl dieser Individuen sich massenweise zum Han-
deln vereinigt, aus dieser Vereinigung als solcher gewisse neue
psychologische Eigentümlichkeiten sich ergeben, die zu den
Rassenmerkmalen hinzukommen und sich von ihnen zuweilen
erheblich unterscheiden.
Zu allen Zeiten haben die organisierten Massen eine wich-
tige Rolle im Völkerleben gespielt, niemals aber in so hohem
Maße wie heutzutage. Die an die Stelle der bewußten Tätigkeit
der Individuen tretende unbewußte Massenwirksamkeit bildet
ein wesentliches Kennzeichen der Gegenwart.
Ich habe versucht, das schwierige Problem der Massen
in streng wissenschaftlicher Weise zu bearbeiten, also metho-
disch und unbekümmert um Meinungen, Theorien und Dok-
trinen. Nur so, glaube ich, kommt man zur ÄAuffindung von
Wahrheitselementen, besonders wenn es sich, wie hier, um
eine die Geister lebhaft erregende Frage handelt. Der um die
Festlegung eines Phänomens bekümmerte Forscher hat sich
um die Interessen, die durch seine Feststellungen berührt
1) Les lois psychologiques de l’evolution des peuples, 1894. Vgl.
L’homme et les societes, 1878; Psychol. du socialisme, 1902 u. a. — Vgl.
Eisler, Philosophen-Lexikon, Berlin 1912. Philosophie des Geisteslebens,
Stuttgart, 1908.