18 Erstes Buch.
vollzieht sich die Geschichte. Sollten auf das Aktivkonto
der Völker nur die kaltvernünftigen Großtaten geschrieben
werden, es würden in den Weltannalen nur ıhrer wenige ver-
zeichnet sein.
2. Kapitel.
Gefühlsleben und Sittlichkeit der Massen.
Nach dieser ganz allgemeinen Aufzeigung der Hauptmerk-
male der Massen haben wir nun diese Merkmale im einzelnen
zu untersuchen.
Wie wir sehen werden, gibt es unter den Sondereigen-
schaften der Massen solche wie Impulsivität, Reizbarkeit, Un-
fähigkeit zum logischen Denken, Mangel an Urteil und kri-
tischem Geist, Überschwang der Gefühle und andere, die sich
ebenso bei Wesen von niederer Entwicklungshöhe, wie bei
Frauen, Wilden, Kindern finden; aber ich streife diese Ana-
logie nur leicht, denn ihre Ausführung würde über den Rahmen
dieser Arbeit hinausgehen. Auch wäre sie für die mit der
Psychologie der Primitiven Vertrauten unnötig und ohne rechte
Überzeugungskraft für jene, die in ihr nicht bewandert sind.
Ich führe nun die verschiedenen Merkmale, die sich bei
der Mehrzahl der Massen beobachten lassen, der Reihe nach vor.
8 1. Impulsivität, Wandelbarkeit und Erregbarkeit
der Massen.
Wie wir bei der Untersuchung ihrer fundamentalen Cha-
rakterzüge sagten, wird die Masse beinahe ausschließlich vom
Unbewußten geleitet. Ihre Handlungen stehen viel öfter unter
dem Einfluß des Rückenmarks als unter dem des Gehirns;
insofern nähert sie sich den ganz primitiven Wesen. Die voll-
zogenen Handlungen können ihrer Ausführung nach voll-
kommen sein, da sie aber nicht vom Gehirn ausgehen, so
handelt das Individuum nach zufälligen Reizen. Eine Masse ist
der Spielball aller äußeren Reize und reflektiert deren unauf-
hörlichen Wechsel; sie ist daher eine Sklavin der empfangenen